«Aus einem deutschen Lied geschnitten» – das ist eine Serie von kurzen Texten, jeweils kombiniert mit einem Musikvideo. Von einer Liedzeile ausgehend, streift Georg Klein durch ganz unterschiedliche Landschaften. Es geht um den Reiz des Nichtstuns, um Film- und andere Küsse und die unheimliche Präsenz des Brillenmanns. Es geht um Erde, Feuer, Wasser und Luft, ums Tanzen – und auch um die Transparenz von Stubenfliegenflügeln.
Die musikalische Begleitung der Textminiaturen ist exquisit. «Deutsches Lied», das ist bei Georg Klein ein weites Feld: Marlene Dietrich und Rammstein, Georg Kreisler und Großstadtgeflüster, nicht zu vergessen die Elektroavantgardisten Kraftwerk (mit einer sensationellen Erstklässlerversion von «Roboter»).
Kurz: Georg Klein macht Text und «Musik / Da bleibt dir die Luft weg» (Ilse Werner).
Irgendwann muss das Missgeschick seinen Anfang genommen haben. Und liebend gern stelle ich mir vor, dass es eine lange, paradiesisch andersartige Vorzeit gegeben hat. Vielleicht dürfen noch heute Ethnologen in einem entlegenen Winkel des schrumpfenden Regenwalds einen Stamm beobachten, dessen Gemeinschaft die fatale Differenzierung, die ich meine, noch nicht zerspaltet: Frau, Mann und Kind, Alt und Jung, Rank und Krumm, alle hopsen ausnahmslos ähnlich zu Gesang und Getrommel herum. Und keiner, der dies sieht, käme auf die Idee, die beteiligten Individuen in gute, in mittelmäßige und in schlechte Tänzer zu scheiden.
Anders auf den modernen Tanzböden: Dort scheinen wir genau hierfür mit untrüglichem Scharfblick geschlagen. Unabhängig davon, inwieweit uns das fragliche Vermögen selbst gegeben ist, wir sehen, ohne Mühe und ohne Kriterien bemühen zu müssen, gleich aufs erste Hinschauen, wer unter denjenigen, die sich da in den Hüften wiegen, zu denen gehört, die fraglos glänzend tanzen können. Und ebenso klar erkennen wir das unglückselige Ende der Skala, wo sich jene abstrampeln, denen weder heißes Verlangen noch angestrengtes Bemühen in den ersehnt stimmigen Ausdruck hinüberhelfen.
«Ich kann halt nicht gut tanzen!» habe ich im Lauf der Jahre, mehr oder minder resigniert, aus dem Munde einer ganzen Reihe von Geschlechtsgenossen gehört, während sich Frauen, die eventuell etwas Ähnliches von sich dachten, sich mir gegenüber kein einziges Mal zu einem derart verschämt schamlosen Bekenntnis hinreißen ließen. Sogar unter jenen Männern, die zweifellos über eine überdurchschnittliche Musikalität verfügen und dies, an einem Instrument und noch dazu lauthals singend, unter Beweis stellen können, gibt es welche, die in selbstverfassten Liedern ironisch bis trotzig kokett auf ihr tänzerisches Defizit verweisen. Um so seltsamer, wenn sich einer ans Klavier setzt und singt, er könne sehr wohl tanzen, tue dies aber nicht. Er lasse dieses Vermögen bewusst ungenutzt, so wie er auch auf Anderes, was er perfekt beherrsche, jetzt und in Zukunft zu verzichten gedenke: auf das Singen genau so wie auf das Lesen und sogar auf das Weinen, das wir, als die angebliche Krone der Schöpfung, ganz selbstverständlich zu unserem exklusiven Ausdrucksrepertoire rechnen.
Ich bin mir nicht sicher, ob andere Tiere, ob zum Beispiel unsere beliebtesten Schlachtopfer, also Huhn, Schwein und Rind, wirklich nicht weinen können. Aber ich glaube, dass kein Geschöpf außer dem Menschen tanzt. Was wir anderen höheren Arten, zum Beispiel den balzenden Vögeln, als Tanz andichten, ist wahrscheinlich bloß ein starres Programm, dem ihre Hirne und die von diesen gesteuerten Glieder seit Jahrtausenden, ohne die Wahl zu haben, automatenhaft gehorchen.
Der Mensch könnte tatsächlich das bislang einzige Wesen auf diesem Planeten sein, das aus freien Stücken und immer wieder verblüffend variantenreich das Tanzbein schwingt. Und damit nicht genug: Dieses Privileg kann von dem, der es gekonnt zu gebrauchen wüsste, durch Verweigerung negiert werden. Hierfür gibt es unter Umständen gute schlimme Gründe. Wie traurig! So traurig, dass diese besondere Tanzversagung, der Tanzverzicht des Könners, eine letzte Träne wert wäre, bevor auch unser Weinen einer nur uns möglichen Verneinung zum Opfer fällt.
Für Rat aller Art danke ich Stephan Turowski und Wilko de Vries.