DAS INTERVIEW
Wer bei Wikipedia Ihre Biografie aufruft, dürfte verblüfft sein. Lukas Bärfuss – gestern u. a. Tabakbauer, Eisenleger, Gabelstaplerfahrer, Gärtner und Buchhändler, heute Dramatiker, Erzähler, Essayist, Dramaturg, Übersetzer, Hörspielautor und Dozent. Wie geht sowas in ein Leben rein?
Bis zu meinem sechsundzwanzigsten Lebensjahr arbeitete ich in vielen Berufen. Eine Ausbildung konnte ich nicht machen, das Geld fehlte. Ich musste für mich selber sorgen. Mein Brot verdiente ich auf Baustellen, in der Landwirtschaft und in den Fabriken. Dann fand ich eine Stelle in einer Buchhandlung. Sieben Jahre arbeitete ich als Buchhändler, dann wurde ich Schriftsteller und leitete unsere Theatergruppe 400asa. Dort lernte ich das dramaturgische Handwerk. Unterrichtet habe ich schon früh, immer mit großer Freude. Wissen und Erfahrungen zu teilen ist sehr beglückend.
Ihr neuer Roman «Die Krume Brot» zeigt Armut in all ihren zermürbenden, demoralisierenden Facetten: Geldnot, emotionale Vernachlässigung, physische Gewalt, Ausschluss von Bildung und kultureller Teilhabe. Wie viel von dem, was wir in der Familiengeschichte Ihrer Protagonistin Adelina lesen, kennen Sie aus eigenem Erleben?
Alles. Die Zahnschmerzen, die Schulden, die Verarmung des Lebens, der Möglichkeiten, der Gedanken. Wer nicht weiß, wie er finanziell durch den Tag kommt, hat keine Pause, keine Ruhe, keine Kraft. Ich hatte Glück, ich entkam der Armut. Vielen gelingt das nie.