Was haben Pflanzen uns zu sagen? Sehr viel, weiß Burkhard Bohne – denn Pflanzen sind ein perfektes Beispiel für kollektive Intelligenz. Bohne plädiert für mehr Achtsamkeit im Umgang mit der Natur: Wer sich Pflanzen zuwendet, wird anders auf unseren gemeinsamen Lebensraum schauen, denn sie bilden die Grundlage für fast alle Lebensprozesse auf der Erde. Doch es scheint, als hätten wir den Bezug zu ihnen verloren. Dabei liefern uns Pflanzen Nahrungsmittel, Heilmittel, Energie und vieles mehr. Grund genug, höchste Wertschätzung zu zeigen und sich den Pflanzen wieder anzunähern – und zu verstehen, was ihre Botschaft an uns Menschen ist.
DAS INTERVIEW
Sie kümmern sich um einen Klostergarten, verbringen viel Zeit im Arzneipflanzgarten der TU Braunschweig, gründen eine Kräuterschule, haben sich als Reiki-Meister ausbilden lassen, konzipieren Gartenprojekte an spirituellen Orten und, und … Wie geht das alles zusammen, wie schaffen Sie das?
Für mich geht das alles zusammen, weil meine Projekte inhaltlich zusammenhängen und ich in der Regel meiner Intuition folge. So wurde meine Arbeit immer auch zu einer Art Mission. Ich hatte das Glück, dass ich mich fast mein ganzes Berufsleben mit einem Thema beschäftigen durfte: Kräuter. Ich lernte, sie biologisch anzubauen, und das in einer Zeit, als Wildpflanzen und Biogärtnern überhaupt keine Themen waren. Ich beschäftigte mich mit der Wirkung der Kräuter und natürlich auch mit ihrer Geschichte. Klöster zum Beispiel gaben erste Impulse für den Kräuteranbau in Europa. Bedingt durch die Arbeit in Klostergärten, ist mir natürlich auch die spirituelle Komponente der Pflanzen nicht verborgen geblieben. Ich begann, mit der feinen Wirkung aller Pflanzen auf die Menschen zu experimentieren. Im Laufe der Zeit wurde es mir immer wichtiger, meine gewonnenen Erfahrungen mit anderen Menschen zu teilen, daher Kräuterschule und Buchautor.
Glauben Sie, dass Ihr Leben anders verlaufen wäre, wenn Sie nicht in einem Haus mit großem Garten, mit Gemüse- und Blumenbeeten, mit alten Obstbäumen und wilden Ecken aufgewachsen wären?
Vielleicht, vielleicht auch nicht. Da ich fest daran glaube, dass es für jeden Menschen so etwas wie einen Lebensplan gibt, wäre ich in diesem Fall sicherlich erst sehr viel später zu meinem Thema gekommen.
Vom Eifeler Förster Peter Wohlleben haben wir viel über kommunizierende Bäume, ihre Sprache, ihr Sozialverhalten gelernt. «Pflanzen denken in Gesellschaften», schreiben Sie. Wie denken Pflanzen?
Um diese Frage zu beantworten, müssen wir zuerst einmal das Thema Denken genauer betrachten. Selbstverständlich denken Pflanzen nicht so, wie wir es als Menschen gewohnt sind. Und trotzdem wissen Pflanzen (und auch Tiere) immer genau, was wann zu tun ist. Es ist auch klar, dass alle Lebewesen nur existieren können, wenn sie ausreichend mit sogenannter Lebensenergie versorgt sind. Ich bin der Meinung, dass wir alle über diese Lebensenergie miteinander verbunden sind: Pflanzen, Tiere, Menschen. Wenn wir es schaffen, diesen Kanal zu nutzen, können wir Menschen, Tiere und Pflanzen viel besser verstehen. Nicht umsonst gibt es so etwas wie den grünen Daumen, Pferdeflüsterer oder auch den sogenannten siebten Sinn. Da liegt es natürlich auf der Hand, dass auch Pflanzen sich vernetzen und miteinander kommunizieren können.
Als ich Ihr Buch gelesen habe, fühlte ich mich entzückt, beglückt – und gleichzeitig beschämt. Beschämt, wie wenig Platz all die Naturschönheit(en), Blumen, Kräuter, Bäume in meinem Leben einnehmen. Was raten Sie gestressten «Großstadtpflanzen» wie mir?
Ganz einfach – ab in die Natur. Damit meine ich nicht unbedingt den nächsten Stadtpark, sondern eher Naturlandschaften oder den nächsten Wald. Nicht unbedingt sportliche Ziele verfolgen, sondern sich einfach Zeit nehmen, Pflanzen genauer zu betrachten, und das vielleicht in Stille.
Als junger Mensch haben Sie sich in die griechische Insel Samothraki verliebt, später Ruhe und Inspiration im Kloster gefunden. Müssen es magische Orte sein – oder kann nicht auch eine Waldlichtung, ein Garten mit wilden Kräutern ein Kraftort sein?
Nein, es müssen nicht magische Orte sein. Waldlichtungen, stimmig angelegte Gärten mit Wildpflanzen und auch alte Obstwiesen können uns Menschen Ruhe und Inspiration schenken, wenn wir uns auf die Orte und Pflanzen einlassen.
Viele Schulen haben kleine Gärten angelegt, Beete, Mini-Gewächshäuser. Das ist gut gemeint, aber selten gut gemacht. Wenn Sie als Gärtner für eine Schule verantwortlich wären und zumindest ein bisschen Budget zur Verfügung hätten – was würden Sie machen?
Ich würde so viele Flächen wie möglich naturnah anlegen und natürlich Nutzpflanzen anbauen. Bioanbau, Wildpflanzen und regionale Sorten hätten in dem Garten oberste Priorität.
Überall schießen Urban-Gardening-Projekte aus dem Boden (Tempelhofer Feld und Klunkerkranich in Berlin, Hanseatenhof in Bremen, die Gemeinschaftsgärten im Londoner Springfield Park etc.). Müsste das durch «die Politik» nicht massiv unterstützt werden?
Ja natürlich, das ist ein alter Traum aller Aktivist*innen. Zumindest wäre es schön, wenn genügend Flächen zur Verfügung gestellt würden, und etwas Infrastruktur. Im Umgang mit Pflanzen können gerade Großstädter*innen so vieles lernen, was ihnen im Umgang mit Menschen an anderen Stellen hilft. Der Umgang mit Pflanzen muss auf jeden Fall viel stärker als bisher in den Alltag integriert werden, wenn wir uns ernsthaft für Klimaschutz und ein gesundes soziales Miteinander einsetzen wollen.
Sind Blumen und Kräuter bei Ihnen zu Hause eigentlich tabu, weil sie dort nie die optimalen Bedingungen wie an der frischen Luft haben können?
Ja, das ist im Prinzip so, außer natürlich wenige Zimmerpflanzen oder Schnittblumen im Haus. Alle anderen Pflanzen wachsen im Garten und fast ausschließlich dort, wo sie sich selbst angesiedelt haben (Ausnahme: Hecken, Obstbäume, einige Kräuter und Gemüse).