In einem Essay, den Sie kürzlich für den Guardian geschrieben haben, schreiben Sie über Ihr Leben mit Ausgrenzung, Ihren Autismus und den Schmerz, ihn seit der Kindheit vor anderen zu verbergen. Sie schreiben: «Ich bin unendlich dankbar für die Literatur, denn ich kann kaum in Worte fassen, wie isoliert ich mich ohne sie fühlen würde. Bücher sind der Grund, warum ich überhaupt Freunde habe (...).» Auf welche Weise erlauben Ihnen die Literatur und Ihr eigenes Schreiben, sich mit der Welt und mit anderen Menschen zu verbinden?
Ich denke, Bücher erweitern meine Fähigkeit zur Empathie auf eine Art und Weise, in der man weniger unter Druck steht, als wenn man direkt mit anderen interagieren würde. Wenn in der realen Welt ein Freund zu mir kommt und sich über einen Dritten beschwert, werde ich mich natürlich auf die Seite meines Freundes stellen und ihn unterstützen. Denn dafür bin ich ja da. Aber wenn die gleiche Situation in einem Roman passiert, kann ich genauer über alle beteiligten Parteien nachdenken und über die Gründe, die sie für ihr Handeln haben. Da ich genügend Distanz habe, kann ich eine rücksichtsvollere Herangehensweise wählen und dann mit einem tieferen Verständnis dafür, dass jeder der Protagonist seines eigenen Lebens ist, wieder in die Welt hinausgehen.
Was mein eigenes Schreiben angeht, hängt es vom Format ab. Meine Fiktion erlaubt es mir im Grunde, Dinge zu erfinden und andere Menschen dazu zu bringen, daran zu glauben. Zumindest so weit, dass sie diese Fiktion genießen (wenn sie sie denn genießen). Ich nehme also an, dass diese Verbindung darin besteht, dass ich etwas aus dem Nichts erschaffen habe und andere Menschen bereit sind, sich darauf einzulassen. Was sich für mich besonders anfühlt, da es eine Möglichkeit ist, meine Vorstellungskraft zu teilen. Etwas, das ich normalerweise als sehr privat empfinde. Ich schreibe auch Kritiken und Reportagen. In diesem Fall ist das Schreiben geradliniger und kommunikativer. Ich möchte den Leuten erzählen, wie es war, einen bestimmten Roman zu lesen, oder eine persönliche Erfahrung ausdrücken. In der Hoffnung, dass sich jemand anderes durch das Lesen weniger allein fühlt. Es gibt so viele Dinge, die das Schreiben bewirken kann.
In «Aufregende Zeiten» gibt es scharfe, sezierende Betrachtungen über menschliches Verhalten und gesellschaftliche Entwicklungen, die Themenkomplexe wie Kolonialismus, Rassismus, Klassismus und Sexismus berühren. Wenn Sie über die aktuelle Welt (oder Irland oder Großbritannien)/Gesellschaft nachdenken, welche Entwicklungen oder Themen beunruhigen Sie im Moment am meisten? Welche geben Ihnen Hoffnung?
Wow, eine schwierige Frage! Es gibt so viele ineinandergreifende Systeme der Unterdrückung, die Menschen umbringen. Ich bin ja nur eine Autorin, also habe ich keine Antworten. Ich glaube, mein Ziel ist viel kleiner als jede Form von globaler oder sogar nationaler Analyse. Ich beginne damit, über bestimmte Charaktere zu schreiben. Es ist nur so, dass ich, um diese Figuren richtig zu verstehen, wissen muss, in welcher Welt sie aufgewachsen sind und wie sie sich in ihrer aktuellen Umgebung bewegen. Und das kann man nicht verstehen ohne Kapitalismus, Rassismus, Imperialismus, Geschlecht und so weiter. Aber ich denke, was mir Hoffnung gibt, ist Solidarität. Das sind manchmal kleine Momente, und manchmal sind es große. Wir müssen daran glauben, dass es möglich ist, darauf aufzubauen, was wäre sonst der Sinn dahinter?
Kürzlich war der 110. Jahrestag des Internationalen Frauentages, und es gibt noch viel zu tun. Was ist Ihre Vision in Bezug auf einen queeren, intersektionalen Feminismus in der Literatur und/oder Gesellschaft?
Ich persönlich habe keine festgelegte Meinung im Kopf. Mir geht es vielmehr darum, unsere aktuelle Welt zu hinterfragen, sie nicht als selbstverständlich hinzunehmen. In «Aufregende Zeiten» passiert sehr wenig, was ich als ideal bezeichnen würde. Wir wissen so wenig darüber, welche Merkmale der Gesellschaft angeboren und welche konditioniert sind, weil wir (zum Glück) keine Kinder außerhalb der Menschheit in irgendeinem kontrollierten Experiment großziehen dürfen. Vielleicht würden wir in einer weniger unterdrückten Welt gleiche Entscheidungen treffen. Aber ich möchte wissen, dass es Wahlmöglichkeiten gibt. Um an diesen Punkt zu gelangen, muss es echte Alternativen geben. Und um diese Alternativen zu erreichen, müssen wir zuerst artikulieren, dass die Gegenwart nicht die unvermeidliche und einzige Version der Realität ist. Deshalb bin ich daran interessiert, diese Gegenwart so einfühlsam wie möglich darzustellen – oder die Vergangenheit, um genauer zu sein. Denn «Aufregende Zeiten» spielt in den Jahren 2016/2017 – und alle meine zukünftigen Werke werden wahrscheinlich auch in der Vergangenheit angesiedelt sein, da ich Dinge sehr langsam verarbeite. Ich liebe visionäre und utopische Literatur und denke, dass es dafür unbedingt einen Platz geben muss. Wir müssen nur wissen, wofür wir kämpfen, was wir schätzen. Aber das ist nicht der Beitrag, den ich persönlich zu leisten versuche.