Er war ein «Meister der deutschen Sprache» (Henri Nannen), ein Freund der gern auch provozierenden Zuspitzung und ein großer Lehrer für Generationen deutscher Journalisten: In der Nacht zu gestern, dem 11.11.2022, starb unser Autor, der Journalist und Schriftsteller Wolf Schneider, im Alter von 97 Jahren in Starnberg.
Bekannt wurde er vor allem durch Standardwerke zu Sprache, Stil und Journalismus, das mit Paul-Josef Raue verfasste «Handbuch des Journalismus» sowie eine ganze Reihe von Büchern über die Kunst des Schreibens, die ihm seinen Ruf als «Sprachpapst»' einbrachten. Darunter waren Bestseller wie «Speak German», «Deutsch fürs Leben", «Gewönne doch der Konjunktiv» oder «Deutsch für junge Profis». Wirklich stolz aber war Wolf Schneider auf seine erzählenden Sachbücher, darunter Weltgeschichten wie «Der Soldat - ein Nachruf», sein Lieblingsbuch «Der Mensch - eine Karriere» und narrative Kabinettstücke wie «Große Verlierer» oder «Mythos Titanic. Das Protokoll der Katastrophe».
Wolf Schneider hat neben seinem reichen journalistischen Schaffen insgesamt 28 Sachbücher geschrieben, von denen die Hälfte, darunter sein komplettes Alterswerk, bei Rowohlt erschienen ist. Grundlage für seinen unerschöpflichen Themen- und Ideenreichtum war ein umfangreiches Privatarchiv - in Schubladen und Schubern voll mit Papier, dem Arbeiten mit dem Computer konnte er nie etwas abgewinnen, dafür war Ehefrau Lilo zuständig.
Wolf Schneider, 1925 in Erfurt geboren, kannte sich aus mit Zeitenwenden, in einem Leben, das fast ein Jahrhundert währte. Zwei Jahre lang war er noch Soldat im zweiten Weltkrieg. Am Ende, gesteht er in seiner Autobiografie «Hottentottenstottertrottel», wollte sich der 20-jährige Unteroffizier aus Angst vor Gefangenschaft und Schlimmerem erschießen - besann sich aber eines Besseren. Er arbeitete als Dolmetscher für die US Army, wurde dann unter anderem Korrespondent der amerikanischen Nachrichtenagentur AP, Korrespondent der «Süddeutschen Zeitung» in Washington, Verlagsleiter des «Stern», Chefredakteur der «Welt», war acht Jahre lang Moderator der «NDR-Talk-Show» und 16 Jahre lang Leiter der Hamburger Journalistenschule. 2011 erhielt er den Henri-Nannen-Preis für sein Lebenswerk, 2012 wurde er vom «Medium Magazin» als Journalist des Jahres für sein Lebenswerk geehrt. Wenige Autoren haben im deutschen Nachkriegsjournalismus eine so bedeutende Rolle gespielt.
Wolf Schneider hatte eine große Familie, zu der vier Kinder, zehn Enkel und auch schon eine Reihe von Urenkeln zählten. Sein letztes Buch war eine 80-seitige Streitschrift mit dem Titel «Denkt endlich an die Enkel! Eine letzte Warnung, bevor alles zu spät ist». Es ist eine eher düstere Prognose über die Zukunft der Menschheit angesichts von Klimawandel, Umweltverschmutzung und Überbevölkerung. Ein Lebensthema, schon 1958 hatte Schneider anlässlich der dritten Menschenmilliarde in der «Süddeutschen Zeitung» vor der drohenden Überfüllung unserer Welt gewarnt. Sie verliert mit seinem Tod nicht nur einen dringlichen Mahner und bedeutenden Erzähler, sondern auch einen Leuchtturm unserer Sprachkultur.