Wir haben die Veröffentlichung von «Unter Wasser», dem fünftem Adam-Danowski-Krimi über die Entführung einer jungen Youtuberin aus einem Hamburger Spaßbad, zum Anlass genommen, uns im Leben des Autors Till Raether einmal genauer umzuschauen. Herausgekommen ist ein Interview der besonderen Art: Shortcuts – schnelle Frage, schnelle Antwort. Wer konnte auch damit rechnen, dass wir nach wenigen Tagen auf unsere 55 Fragen tatsächlich 55 schlaue, lustige, informative Reaktionen bekommen! Dabei geht es – neben ein paar hochliterarischen Sachen – vor allem um weltbewegende Nichtigkeiten wie eine neue Badehose, das Delta der Venus, Lord Extra im Heizungskeller, BoJack Horseman und die Legende von Till & Elisabeth. Viel Vergnügen mit Till Raether!
Ein Interview in 55 Shortcuts
Wie sieht es aus, das perfekte Till-Raether-Freizeitoutfit?
Weiße Adiletten mit Tricolore-Streifen.
Sie bezeichnen sich als «als irre diszipliniertes» Arbeitstier, beherrschen sogar das 10-Finger-System. Gibt's irgendetwas, das noch besser werden müsste?
Ich habe die obere Tastenreihe beim Maschineschreibkurs verpasst und muss daher Zahlen ausschreiben.
Denken Sie nach Daniel Kehlmanns Bestseller «Tyll» über einen Austausch des Binnen-i in Till durch ein stylishes «y» nach?
Seitdem nicht mehr.
Um welche Themen – neben koreanischen Säuglingsvorhäuten und dem Schreiben von Sexszenen – geht es in Ihrem Podcast «sexy & bodenständig»?
Um alles, was Autorinnen und Autoren Freude und Schmerz bereitet.
Welcher Kauf unter 100 Euro könnte Sie echt weiterbringen?
Eine neue Badehose.
Könnten Sie für einen Tag das Geschlecht wechseln – was würden Sie unternehmen?
Ich wäre gern einen Tag ein Mann mit einem vollständigen Werkzeugkasten.
Steht der Anais-Nin-Klassiker «Das Delta der Venus» noch immer in Ihrem Bücherregal? Haben Ihre Kinder es schon entdeckt?
Das Buch steht da noch, aber die Kinder suchen nicht im Bücherregal nach Stellen.
Wenn nicht Journalist & Autor – was wäre dann der Traumberuf für Sie?
Ich habe eine romantische Vorstellung vom Lehrerberuf.
Haben Strickerinnen bei Ihren Lesungen generell freien Eintritt? Was sagen Maurergesellen, Spargelstecher und Metzgerstöchter zu dieser Rabatt-Klausel?
Jede Interessengruppe, die mich einlädt, kann während der Lesung stricken, mauern, stechen und hacken, so viel sie will, und natürlich auch die Preise frei gestalten.
Gibt man ins Google-Suchfeld «till raether» ein, findet man ziemlich weit oben «till raether elisabeth». Was ist dran an der Legende von Till und Elisabeth?
Ich merke recht oft, dass Menschen annehmen, ich wäre mit Elisabeth Raether von der Zeit verheiratet. Von diesem Irrtum profitiere ich sicher mehr als die Kollegin.
Ihre Lieblingsjugendsünde, die Sie nie-nie-nie missen möchten?
Lord Extra im Heizungskeller.
Sie dürfen für eine Woche eine riesige Werbefläche am Potsdamer Platz bespielen. Was würde man dort lesen?
FCK NZS
Ihr Lieblingsheld in der Dichtung (nach Adam Danowski …)? BoJack Horseman. Ihre Lieblingsheldin in der Dichtung (nach Meta Jurkschat …)?
Joni Mitchells lyrisches Ich.
Ihre Frau nennt Sie ein «Vatertier». Neigen Sie so arg zum Helikoptern?
Nein, aber zu Nestbau und Nachgeben.
Wie tolerant geht's in der Familie Raether zu, wenn die Kinder sich auf YouTube in Bibis Beauty Palace, bei Gronkh oder Dagi Bee vergnügen?
Solange sie sich darüber lustig machen, dürfen sie das gerne schauen (30-60 Minuten am Tag).
Sie spielen, heißt es, Candy Crush (Chapeau!) und lernen dank Online-Tutorial Shuffle-Dance von zwei elfjährigen Belgierinnen. Machen Sie Fortschritte?
Nein. Beides hat mich gebrochen.
Was wären Sie ohne die Apothekerin Ihres Vertrauens? Über Ihren Roman Neunauge urteilt sie so klug wie charmant: «Auf keinen Fall schlechter als die anderen drei …»
Ein alleinstehender Mann mit traurigen Augen und mehr Infekten.
Laut Ihrem Entlastungs-Podcast sexy & bodenständig, Folge 3, scheinen Sie zu wissen, was man beim Schreiben einer guten Sexszene beherzigen sollte. Was genau, bitte?
Alles über das Vorher, genug über das Nachher, so wenig wie möglich übers Währenddessen erzählen.
Ulrich Wickert kann in seinem Hamburger Verlag jederzeit ein Turmzimmer zum Arbeiten nutzen. Neidisch?
Nein. Ich gehe ich davon aus, dass es sich bei Rowohlt und mir genauso verhält, habe allerdings noch nie Bedarf angemeldet.
In wieviel Jahren möchten Sie endlich Ihr Ferienhaus in der Toskana, in Dänemark oder auf Hiddensee haben (zum Beispiel)?
Ich hätte lieber jetzt eins zum Verkaufen und dann das Geld ausgeben.
Noch immer glühender Fan von Prefab Sprout?
Completely.
Wann haben Sie sich zum letzten Mal wie ein kompletter Idiot benommen?
Heute. Ich habe mir beim Umräumen den Fuß gestoßen und sehr laut und sehr lange auf Kosten der Familie behauptet, ich hätte mir «schon wieder den Zeh gebrochen».
Was ist Ihre deutscheste Seite?
Hadern, Hausschuhe, Filterkaffee.
Was hat Berlin, was Hamburg nicht hat – und umgekehrt?
Der größte Unterschied ist, dass diese Frage in Berlin noch nie jemand gestellt hat.
Sie sind cool, lässig und abgeklärt – klar. Gibt es Sie manchmal auch in spießig?
Tatsächlich bin ich so spießig, dass ich die Wörter cool, lässig und abgeklärt auf mich bezogen wenig passend finde.
Was ist kulinarisch für Sie der größte Genuss?
Ramen.
Feierbiest? Oder eher Partymuffel?
Oft beides am gleichen Abend, in wechselnder Reihenfolge.
Worin sind Sie richtig gut in Ihrem Job?
Rechtzeitig fertig werden oder rechtzeitig abbrechen.
Was war das schönste Kompliment, das Ihnen je gemacht wurde?
Lobende Erwähnung in einem Tweet von Margarete Stokowski.
Gibt es irgendeine Hausarbeit, die Sie – zum Beispiel aus meditativen Gründen – toll finden?
Fensterputzen und Ofen saubermachen, weil die Erfolge unübersehbar sind.
Man schenkt Ihnen ein ganzes Jahr bezahlten Urlaub. Wohin geht die Reise?
Zu meinem ältesten Freund nach Seattle, und von dort kreuz und quer durch die USA. Jetzt erst recht.
Was war die bislang folgenschwerste Entscheidung Ihres Lebens?
Von Berlin nach Hamburg zu ziehen. Mehr Brücken als Venedig! Hui.
Welchen Film haben Sie am häufigsten gesehen, welches Buch am häufigsten gelesen?
«Working Girl – Die Waffen der Frauen» von Mike Nichols, «Der talentierte Mr. Ripley» von Patricia Highsmith.
Was fällt Ihnen zuerst ein, wenn Sie an Fußball denken?
Das Tor von Hertha-Stürmer Alex Alves gegen den 1. FC Köln von der Mittellinie im Jahr 2000.
Was wäre für Sie die größere Mutprobe: einmal Klippenspringen – oder ein Live-Interview mit Gauland/Weidel (AfD) vor Fernsehpublikum?
Klippenspringen – das würde ich sehr, sehr wollen, mich aber niemals trauen. Beim AfD-Interview wäre es umgekehrt: trauen klar, wollen nie.
Was ist nach Ansicht Ihrer Frau Ihre attraktivste schwache Seite?
Ich vermute, wie unverhältnismäßig ich in Rührung gerate, wenn ich erzähle, wie ein Mann ein Käsebrot gegessen hat an der Bushaltestelle.
Sie dürfen ein Ereignis oder eine Begegnung in Ihrem Leben löschen. Was wäre das?
Das Ergebnis der US-Präsidentschaftswahl 2016.
Jemals davon geträumt, die ganz große Bühne zu bespielen – zum Beispiel als Rockstar?
Ich war mit 15 überzeugt, dass ich dank meiner individuellen Mischung aus null Musikalität und großer Schüchternheit eine völlig neue Art Superstar werden würde.
Drei Sachen, die Sie in Deutschland ändern würden, wenn Sie die Macht dazu hätten:
Reparationen für Länder, die früher europäische Kolonien waren; 5-Jahres-Plan zur Beendigung von systematischem Rassismus und Sexismus; parlamentarisch sorgfältig kontrollierte Verstaatlichung von Schlüsselindustrien (Finanzen, Verkehr, Energie, Gesundheit und DFB).
Simon Beckett oder Samuel Beckett? Tarantino oder Kaurismääki? Gerd Müller oder Thomas Müller?
Samuel Beckett und Gerd Müller decken hier alles ab.
Sonntagabend … TATORT-Pflichttermin?
Nein, nie.
Es gibt sie noch, die schönen Dinge, heißt ein Werbespruch. Was ist das schönste Ding, das Sie besitzen?
Meine hellblaue Wolldecke.
Womit kann man Sie gut erschrecken?
Festnetz-Anrufe, Fensterbriefe.
Gibt es Modewörter oder Satzphrasen, die Sie auf die Palme bringen?
Ich hasse das Wort «giggeln» tief und irrational.
Wie erklären Sie einem Kind den Sinn des Lebens – in einem normal langen Satz?
Dabeisein ist alles.
«Als Erstes ist da der Geruch von Blut und Kaffee», so beginnt Herrndorfs «Tschick». Grübeln Sie bei einem neuen Roman lange über dem ersten Satz?
Nein, gar nicht, der erste Satz ist ein Zufallsprodukt.
Sie legen sich von heute auf morgen einen neuen Lifestyle zu: vegan oder polyamourös. Was passt besser zu Ihnen?
Vegan. Lieber kein Lebewesen essen, als noch mehr Lebewesen lieben.
Kennen Sie einen tollen Trump-Witz?
Ich kann über die fiktiven Telefonate zwischen Trump und Obama in der Show von Conan O’Brien lachen.
Die bisher beste Party Ihres Lebens?
Die runden Geburtstage meiner Frau.
Wofür geben Sie zu viel Geld aus – und wofür zu wenig?
Zu viel für Essen, zu wenig für Kleidung.
Welche CD in Ihrem Besitz würde Besucher überraschen?
Hm. Meine umfangreiche Vanessa-Carlton-Sammlung?
Staatsanwalt, Gerichtsmediziner, Polizist, Rechtsanwalt: Welcher dieser Berufe würde am ehesten zu Ihnen passen?
Ich würde sehr gern viele Leute anklagen. Also keiner.
Lesen Sie gern Krimis, die mit morbidem Humor und rabiaten Todesarten punkten wollen? Oder sind Sie eher der Typ für kuschelige Regionalkrimis?
Hauptsache, keine zugerichteten toten Frauen und ein genialischer Serienmörder, der sich mit dem gebrochenen Polizisten ein zutiefst persönliches Duell liefert ... ächz.
Tori Amos sagt: «Mein Job ist es, zu stören.» Wem würden Sie gerne mal so richtig auf die Nerven gehen?
Allen. Darum bin ich auf Twitter.