Im Gespräch

Im Gespräch: Petra Pellini

Petra Pellini erzählt in ihrem Buch «Der Bademeister ohne Himmel» mit Wärme und Humor vom Erwachsenwerden und Vergessen und von einer einzigartigen Freundschaft. Im Interview spricht sie über das Schreiben an sich, die Entstehung des Bademeisters und ihre persönlichen Erfahrungen in der Pflege von dementen Menschen.

Im Gespräch: Petra Pellini

Liebe Petra Pellini, Ihr Roman Der Bademeister ohne Himmel erzählt von der Freundschaft einer lebensmüden 15-Jährigen zu ihrem 86-jährigen dementen Nachbarn. Eine ungewöhnliche Konstellation. Was verbindet Linda und Hubert in Ihren Augen?

Beide kommen auf ihre Art nicht klar mit ihrem Leben. Hubert ist desorientiert, und auch Linda ist auf ihre Weise orientierungslos. Sie weiß nicht, was sie mit ihrem Leben anfangen soll, und ihre Motivation, das herauszufinden, ist gering. Zudem hat sie eine schwierige Kindheit hinter sich und null Bock auf ihre Zukunft. Hubert hat seine Vergangenheit verloren und weiß nie, was als Nächstes zu tun ist. Seine Wahrnehmung ist verzerrt, Sicherheit und Orientierung verschwimmen immer mehr. So haben die beiden vieles gemeinsam. Beide fühlen sich nirgends wirklich zugehörig, beide fallen aus dem Raster. 

Ihr Roman ist temporeich erzählt, sehr humorvoll und erfrischend geschrieben. Wie schwer fiel es Ihnen, den richtigen Erzählton für Lindas Geschichte zu finden?

Es fiel mir nicht schwer, es fiel mir sogar sehr leicht. Auf eine Art entwickelte sich die Erzählstimme wie von selbst. Lindas Biografie, ihr kritischer Blick, ihre gute Beobachtungsgabe, vor allem aber ihr Humor führten zu diesem Erzählton, den ich persönlich liebenswert und witzig finde.

Der Bademeister ohne Himmel

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Linda ist fünfzehn und würde am liebsten vor ein Auto laufen. Doch noch halten zwei Menschen sie davon ab: ihr einziger Freund Kevin, der daran verzweifelt, dass die Welt am Abgrund steht. Und Hubert, sechsundachtzig Jahre alt, ein Bademeister im Ruhestand, der seine Wohnung kaum mehr verlässt, Karotten toastet und auf seine Frau wartet, die vor sieben Jahren verstorben ist. Dreimal wöchentlich verbringt Linda den Nachmittag bei Hubert, um die polnische Pflegerin Ewa zu entlasten, die mit durchaus eigenwilligen Mitteln ihren Beruf ausübt. Feinfühlig und spielerisch begegnet Linda Huberts fortschreitender Demenz und versucht, den alten Bademeister im Leben zu halten. Bis das Schicksal ihre Pläne durchkreuzt …

Petra Pellini erzählt mit Wärme und Humor vom Erwachsenwerden und Vergessen und von einer einzigartigen Freundschaft.

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Erfrischend ist auch Lindas Umgang mit Huberts Erkrankung. Sie scheint besser mit ihm zurechtzukommen als die liebevolle, aber etwas überforderte Pflegerin Ewa. Brauchen wir einen anderen Umgang mit pflegebedürftigen Menschen?

Die Herausforderung ist hier für jeden eine andere. Jeder steht auf seiner eigenen Position. Ewa ist rund um die Uhr im Einsatz, was eine enorme Leistung darstellt. Huberts Tochter steckt in ihrem Schmerz fest. Linda hat eine gute Position. Sie trägt wenig Verantwortung, und sie kann die Stunden, in denen sie mit Hubert allein ist, ziemlich frei gestalten. Das führt zu ihrem spielerischen Umgang mit Hubert. 

Bezüglich des Umgangs mit Demenz können wir auf alle Fälle von Linda lernen. Es braucht Kreativität und Herz. Das begreift Linda sehr schnell, und sie hat keine Scheu, danach zu handeln. Zum Beispiel macht sie gemeinsam mit ihrem Freund Kevin Tonaufnahmen im Freibad, weil sie Hubert in Kontakt mit seiner Vergangenheit bringen möchte. Auch von Ewa können wir lernen, weil Ewa ihren Fokus auf Menschlichkeit und Würde legt. 

Sie sind diplomierte Krankenschwester und haben lange in der Pflege dementer Menschen gearbeitet. Auf welche Weise ist Ihr beruflicher Hintergrund in das Schreiben eingeflossen?

Der Vorteil: Ich brauchte nicht viel zu recherchieren, da ich erlebt habe, was es bedeutet, wenn Betroffene sich selbst verlieren, Angehörige Unterstützung brauchen und Pflegende überfordert sind. Das alles hat das Schreiben über Demenz bestimmt erleichtert. Zudem gab es zahlreiche Situationen, in denen ich tief berührt, überrascht, begeistert war, Tränen in den Augen hatte oder schmunzeln musste. Vom Wunsch, die Geschehnisse aufzuschreiben, um sie festzuhalten, war es dann nicht mehr weit bis zur Romanidee. Ich hatte immer irgendwo ein Stück Papier, eine Serviette oder sonst etwas, worauf ich Notizen kritzeln konnte, denn nach einem 12-Stunden-Dienst ist nicht immer alles wortwörtlich abrufbar, wenn man sich daran erinnern möchte. „Gesundkern, aber vergesslich“, würde die Pflegerin Ewa aus meinem Roman sagen. Und so führte mancher Spickzettel zu einer neuen Szene.

Die Nähe zu den Figuren ist etwas Wunderbares und das Schreiben eine schöne Gelegenheit, der Kreativität im eigenen Kopf Gestalt zu verleihen.

Mit einem Auszug aus Der Bademeister ohne Himmel haben Sie 2021 gleich den Vorarlberger Literaturpreis gewonnen. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung und was bedeutet Ihnen das Schreiben?

Der Vorarlberger Literaturpreis bedeutet mir bis heute sehr viel. Durch diese Auszeichnung wurde ich als Autorin das erste Mal sichtbar. Und das Schreiben an und für sich? Es gibt nichts, was ich lieber tue. Man erschafft Personen, Orte, Handlungen und geht an der Seite der Protagonisten, und im besten Fall gelingt einem eine Geschichte, wie das beim Bademeister der Fall ist. Die Nähe zu den Figuren ist etwas Wunderbares und das Schreiben eine schöne Gelegenheit, der Kreativität im eigenen Kopf Gestalt zu verleihen. Und wenn es dann auch noch gelingt, die Leserschaft zu berühren, ist das eine große Sache, die nicht wirklich planbar ist, und genau das gefällt mir daran.

Petra Pellini

Petra Pellini

Petra Pellini, geboren 1970 in Vorarlberg, lebt und arbeitet in Bregenz. Sie war lange in der Pflege demenzkranker Menschen tätig. Für einen Auszug aus ihrem Roman «Der Bademeister ohne Himmel» wurde sie 2021 mit dem Vorarlberger Literaturpreis ausgezeichnet.