«Zu groß für die Babyklappe? Ich gebe zu, ich habe diesen Satz schon einige Male gedacht, und ja, auch im Gespräch mit befreundeten Müttern fiel er das ein oder andere Mal, meist gefolgt von einem tiefen Seufzer der Zerrissenheit. Ich liebe meine Kinder, aber manchmal möchte ich sie auch auf den Mond schießen. Denn ja, bereits Sechsjährige können genervt und türenschlagend durchs Haus laufen. Breiflecken auf der Bluse, volle Windeln und durchwachte Nächte werden abgelöst von Eltern-WhatsApp-Gruppen, von Schulängsten 2.0 und von Gesprächen, die mit einem verzweifelten ‹Aber Karl-Friedrich hat auch ein Smartphone› anfangen und mit einem drohenden ‹Ist da etwa Gemüse in der Tomatensoße?› enden. Für Mütter gilt in dieser Phase wie immer: Lachen ist die beste Medizin.»
Sie schaffen es, Witz und Schärfe, Analytisches und Lässiges in ein, zwei Sätze zu packen. Sind Sie, was dieses Talent angeht, familiär vorbelastet?
Nein, nicht wirklich. Ich kann jetzt natürlich nicht für meine Ururgroßeltern sprechen, gehe aber davon aus, dass keiner meiner Vorfahren einen Twitter-Account hatte.
Der Mördermarathon zum ersten Schulranzen, das Drama ums erste Klassenfoto, die Demütigungen eines Elternabends auf Babystühlchen: Sage niemand, Eltern müssten vor Glück platzen, wenn die eigenen Kleinen in die Schule kommen. Wie wappnet man sich gegen solcherart Zumutungen – vielleicht mit dem Mantra «Wut ist mein Yoga, ab jetzt bin ich laut»?
Laut werden ist immer gut. Der Frust muss raus, sonst drückt er irgendwann auf die Seele. Aber das beste Mittel gegen den Wahnsinn ist immer noch Humor. Kein Event bietet mehr Slapstick-Momente als ein Elternabend, und wenig hat mich mehr amüsiert als die Kinderbilder des Schulfotografen. Da heißt es «jeder Klick ein Lacher».
Zwei Ihrer Corona-Tweets: «Ich finde es gut, dass die Autohäuser wieder geöffnet haben. Jetzt muss ich nur noch entscheiden, ob ich die Kinder bei Porsche oder doch lieber bei Mercedes betreuen lasse.» Und: «Ich friere meine Kinder einfach bis zum Herbst ein.» Mal im Ernst: Wie gut kamen Sie in den Corona-Monaten mit all dem Social Freezing klar?
Rückblickend tatsächlich besser als erwartet. Hätte mir jemand vor einem halben Jahr vorhergesagt, dass ich mit meinen Kindern monatelang ans Haus gefesselt sein würde, wäre ich wahrscheinlich schreiend aus dem Fenster gesprungen. Natürlich gab es Tränen und Wutanfälle (z. B. dass die Bundesliga wieder spielt, während die Schulen geschlossen bleiben), und auch die Kinder waren nicht immer glücklich mit der Situation, aber insgesamt kamen wir ganz gut durch diese Zeit. Und jetzt brauche ich bitte vier Wochen Urlaub auf den Bahamas. Alleine.
Nie wieder Hausaufgaben? Von wegen! «Wann kommt Anton in Berlin an, wenn Berta um 13 Uhr in Freiburg mit dem Rad losfährt und Caspar gerne Würstchen isst?» Fragen dieses Kalibers bringen Homeschool-Eltern an den Rand der eigenen intellektuellen Kapazität. Gibt es einen Rat, den Sie leidgeplagten Eltern in diesen blöden-blöden-blöden Corona-Zeiten mitgeben möchten?
Perfektion ist eine Illusion. Eltern sollten niemals die Lehrer der eigenen Kinder sein müssen. Das zerbombt den Familienfrieden schneller, als Sie 38–13 schriftlich dividieren können. Es ist für uns alle die erste Pandemie. Seien Sie gnädig mit sich und Ihren Kindern. An manchen Tagen wird das Homeschooling vielleicht klappen, an anderen hingegen so überhaupt nicht. Kommen Sie physisch und psychisch gut durch diese Zeit! Das ist die Hauptsache. Mathe kann warten, also bloß kein Stress!
Viele Ihrer «Geschichten aus dem Müttergenesungswerk» sind zum Niederknien schön –die mit dem pragmatisch-knappen Titel «Penis» zum Beispiel – oder die über Haustiere. Meerschweinchen möchte man in der Familie Hellene ganz sicher nicht sein. Das eine fliegt in den allzu frühen Tod, das andere wird mit reichlich Seife totgewaschen. Das hat aber nichts mit der heiklen Wackelzahnpubertät zu tun, oder?
Als das Meerschweinchen fliegen lernte, saßen die Wackelzähne noch bombenfest – und über Penisse und Vulvas kann man gar nicht früh genug sprechen, nicht erst, wenn die Zähne im Apfel stecken bleiben.
Eigentlich müssten von 100 Leser*innen Ihrer Bücher mindestens 80 Männer sein. Was Sie unter dem Stichwort «Mental Load» beschreiben, zielt frontal auf männliche Ignoranz. Und doch dürften mindestens 90 von 100 Ihrer Bücher von Frauen gekauft werden. Frustriert das?
Nein, nicht wirklich. Durch Frauen erreiche ich letztlich auch Männer. Davon bin ich überzeugt.
Apropos Sternchen, Quer- und Unterstrich: Wie radikal gendert die Feministin Marlene, schriftlich wie mündlich?
Ich gendere noch viel zu wenig – mea culpa. Sprache, die nicht diskriminiert, muss gelernt werden. Man muss sich immer wieder fragen: «Schließe ich durch diese Formulierung jemanden aus? Verletze ich die Gefühle anderer?» Ich lerne jeden Tag dazu und bin noch lange nicht perfekt.
Woher rührt die enorme Festigkeit konservativer Rollenbilder, auch in unseren ach so modernen Zeiten? Weil Frauen, solange sie Kinder haben, immer vor allem Mütter bleiben, während Männer zuallererst immer Männer bleiben und erst in zweiter Linie Väter sind – ist es das?
Ja, Männer bleiben Männer, und Frauen werden Mütter. So sind wir erzogen, so sind wir sozialisiert. Dieses Bild sitzt ganz tief in uns. Bei den meisten völlig unbemerkt und ohne böse Absicht. Man muss das Problem erst mal erkennen, um etwas verändern zu können. Und beim Erkennen möchte ich mit meinen Texten auf humorvolle Art und Weise helfen.
Ihr Buch schließt mit dem Appell, aus dem Kreislauf ständiger Überlastung und männlicher Ignoranz auszubrechen. Bildet Banden! Weshalb müssten sich die Männer vor diesen Mütterbanden fürchten?
Ach, fürchten muss sich keiner. Wir sind ja nicht bei Bibi und Tina, wo es heißt «Jungs gegen Mädchen – Mädchen gegen Jungs». Zusammenhalt ist einfach wichtig. Elternschaft ist wahnsinnig schön, aber auch wahnsinnig anstrengend. Wenn wir die Last auf viele Schultern verteilen, wird es für alle leichter, Mütter und Väter.