Unsere Sprache, unsere Medien, unser Alltag sind von der Annahme geprägt, es gebe nur zwei Geschlechter, die einander binär gegenüberstehen. Werbung, Spielzeug, Kleidung und Geschichten, Er- und Beziehungsmodelle, sogar Algorithmen und die Wissenschaften – unsere gesamte Kultur ist davon durchzogen. Aber das Zweigeschlechtersystem ist nicht nur unvollständig, es schließt auch aus. Für viele Menschen passt es nicht – es fühlt sich falsch an. Mit steigender Sichtbarkeit werden auch trans- und queerfeindliche Stimmen lauter und versuchen mit aller Kraft, die binäre Geschlechterordnung zu verteidigen. Dabei steckt in der Überwindung des starren binären Systems emanzipatorisches Potenzial für alle Menschen. Ein Buch für alle, die es wagen wollen, alte Normen und Zwänge hinter sich zu lassen.
DAS INTERVIEW
«Ich schreibe dieses Buch aus der Perspektive einer nicht-binären, weißen Person mit deutscher Staatsbürgerschaft, die im Westdeutschland der 1990er- und 2000er-Jahre aufgewachsen ist, einen geisteswissenschaftlichen Hintergrund hat und in Berlin lebt. Ich werde meist weiblich gelesen.» Diese Selbstbeschreibung haben Sie Ihrem Buch vorangestellt. Mit welcher Absicht tun Sie dies?
Im Buch schreibe ich in verschiedenen Zusammenhängen über vermeintliche Neutralität und über Personen, die ihre politische Haltung durch die Behauptung, unpolitisch, neutral oder objektiv zu sein, zu verschleiern versuchen. Als neutral gilt in Deutschland meist die weiße cisgeschlechtliche Perspektive, während andere Positionen als Aktivismus oder gar Ideologie abgetan werden. Dabei ist das, was uns als neutrale Perspektive verkauft wird, meist gar nicht neutral, sondern entspricht lediglich einer weißen cis hetero Norm und wird daher von ebendieser Norm selbst auch als weniger bedrohlich oder politisch wahrgenommen als Perspektiven, die dieser Norm – auf einer oder mehreren Ebenen – nicht entsprechen.
Keine Person, die über gesellschaftliche und politische Zustände und Veränderungen schreibt, ist neutral, und daher ist es nicht unerheblich, aus welcher Perspektive eine Person schreibt oder spricht. Außerdem war mir wichtig zu betonen, dass ich bestimmte Diskriminierungserfahrungen, die ich in diesem Buch thematisiere, selbst nicht mache. Dass ich meist weiblich gelesen werde, ist für mich zwar oft anstrengend, aber auch ein Privileg. Als weiße nicht-binäre Person, die einen deutschen Pass hat und weiblich gelesen wird, gehe ich mit anderen Privilegien durchs Leben als eine trans Frau, die von Rassismus oder auf andere Art und Weise von Mehrfachdiskriminierung betroffen ist.