Im Gespräch

Und der Albtraum ist da

Juha und Lux: zwei Ermittler vom LKA Hamburg. Und ein Fall, der alte Wunden aufreißt

Die Autoren Nikolas Kuhl und Stefan Sandrock
© Vanessa Maas

Juha Korhonen und sein Kollege Lucas «Lux» Adisa vom LKA Hamburg werden zu einem Entführungsfall hinzugezogen. Schnell merkt Juha, dass der Fall frappierende Parallelen zu einem fast zwei Jahrzehnte zurückliegenden Verbrechen aufweist. Damals wurde der vierzehnjährige Daniel Boysen in einer Kiste im Wald vergraben und konnte nur noch tot geborgen werden. Der Täter beging Suizid. Aber die Akte Boysen steckt voller Unstimmigkeiten. Warum recherchierte der leitende Ermittler nach Abschluss des Falles weiter, bevor er kurz darauf starb? Stück für Stück offenbart sich eine Tragödie, in der Opfer zu Tätern wurden und umgekehrt – und die ihren Schatten bis in die Gegenwart wirft …

 

DAS INTERVIEW

Das schwedische Autorenduo Erik Axl Sund ist ein Beispiel dafür, dass aus Punkmusikern Krimiautoren werden können. Die Geschichte von Kuhl + Sandrock ist eine andere. Du, Nikolas, spielst mit deiner Band Giant Crow Alternative Country/Neo-Psychedelic und schreibst Drehbücher, während du, Stefan, Kunstprojekte initiierst und Ausstellungen kuratierst. Was hat euch beide als Romanautoren zusammengebracht?

Sandrock: So groß ist der Unterschied gar nicht. Ich habe jahrelang in einer Punkband gespielt – wenn auch nicht gemeinsam mit Nik. 

Kuhl: Aber dafür waren wir auf der gleichen Kunsthochschule – wenn auch nicht gleichzeitig. Das ist trotzdem ein Mikrokosmos, der die reine Studienzeit überdauert. 

Sandrock: Auf einem Filmfestival haben wir zufälligerweise nebeneinander im Wald gezeltet und uns angefreundet. Haben mehrere Kurzfilme zusammen gedreht und ein Drehbuch für einen Langspielfilm geschrieben.

Kuhl: Das bisher nicht verfilmt wurde. Unter anderem deswegen haben wir uns überlegt, ein Buch zu schreiben, das man nicht erst verfilmen muss. 

 

Das Dickicht

Neu

Ein smartes Ermittlerduo, ein rasanter Kriminalfall in und um Hamburg und ein Twist, bei dem sich die Nackenhaare aufstellen. 

Juha Korhonen und sein Kollege Lucas «Lux» Adisa vom LKA Hamburg werden zu einem Entführungsfall hinzugezogen. Schnell merkt Juha, dass der Fall frappierende Parallelen zu einem fast zwei Jahrzehnte zurückliegenden Verbrechen aufweist, einem seiner ersten Einsätze beim LKA, der ihn bis heute nicht loslässt. Damals wurde der vierzehnjährige Daniel Boysen in einer Kiste im Wald vergraben und konnte nur noch tot geborgen werden. Der Täter beging Suizid.

Bei den Ermittlungen entdeckt Lux Unstimmigkeiten in der Akte Boysen. Warum hat der damalige Kommissar nach Abschluss des Falles weiterermittelt, bevor er kurz darauf starb? Juha und Lux folgen seinen Hinweisen immer tiefer ins Dickicht der Vergangenheit. Hat man sich seinerzeit vorschnell mit der falschen Lösung zufriedengegeben? Stück für Stück offenbart sich eine Tragödie, in der Opfer zu Tätern wurden und umgekehrt – und die ihren Schatten bis in die Gegenwart wirft …

Ein nervenaufreibender Krimi, der auf zwei Zeitebenen spielt und mit allen Erwartungen bricht.

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In dem Fall um den toten Jungen, an dem der alte Ermittler Werner Swoboda innerlich zerbrochen ist, geht es um Schuld, Scham, Verdrängung, Einsamkeit, Schmerz – klassische Themen des Familienromans. War für euch beide eigentlich von Anfang an klar: Wenn wir einen Roman schreiben, dann einen Kriminalroman? 

Sandrock: Ja, das war uns von Anfang an klar. 

Kuhl: Wir sind beide große Krimifans. Allerdings sind die Themen, die du erwähnst, nicht nur klassische Themen des Familienromans, sondern zwingende Themen einer jeden guten Geschichte. Ein Krimi ist da keine Ausnahme. Die grundsätzlichen, treibenden Kräfte für einen Menschen sind Angst und Liebe. Interessant, dass die Themen, die du gefunden hast, Symptome der Angstseite sind, denn in unserem Roman spielt die Liebe eine ebenso wichtige Rolle. 

Es gibt eine Reihe bekannter Krimi-Duos wie Sjöwall/Wahlöö oder Fruttero & Lucentini. Als Leser:in fragt man sich, wie dabei wohl die Zusammenarbeit funktioniert: bei Recherche, Plotdramaturgie, Figurenentwicklung, dem Schreibprozess selbst. Wie lief das bei euch? Macht bei Kuhl + Sandrock jeder alles?

Kuhl: Ja.

Sandrock: Es gibt eine ursprüngliche Idee, an der jeder etwas rumdenkt. Dann fahren wir gemeinsam in irgendeine Hütte für ein paar Tage, plotten und verteilen die Aufgaben. Dann schreibt jeder für sich, und wir lesen gegenseitig, was der andere geschrieben hat. 

Kuhl: Die moderne Kommunikation ist zudem ja sehr kurzwegig. Wir schicken viele Sprachnachrichten – WhatsApp ist unser gemeinsames Notizbuch.

Allerdings hat reale Ermittlungsarbeit selten eine Dramaturgie, die sich für einen Roman eignet.

Juha Korhonen und Lux Adisa sind, was Lebensstil, Temperament und biografischen Background angeht, ziemlich unterschiedliche Typen, die fast eine ganze Polizistengeneration trennt – und die doch, wenn es darauf ankommt, gut harmonieren. Habt ihr vielleicht ein bisschen von euch selbst in die Protagonisten «hineingeschrieben»? 

Kuhl: Ich muss sagen, jeden Gedanken, den Lux hat oder auch Juha, hatte ich irgendwann auch mal. Beide Figuren bin ich auch selbst.

Sandrock: So empfinde ich es auch. Ich glaube, es geht auch gar nicht anders.

Der Lucullus-Grill auf der Reeperbahn, die Astra-Knollen, das Verfolgungsrennen an der Köhlbrandbrücke: Der Hamburg-Bezug des Romans ist evident. Ist man als Hamburger Krimiautor auch mal vor Ort im Polizeipräsidium in Alsterdorf, spricht man mit Leuten aus der Praxis – oder weiß man, bestens präpariert durch Tatort, Polizeiruf etc., alles, was es für einen Krimi braucht? 

Kuhl: Ich glaube, ich habe noch keinen Polizisten getroffen, der sagt: «Tatort, ja, genauso läuft das.» Wir geben uns schon Mühe, keinen Unsinn zu behaupten. Allerdings hat reale Ermittlungsarbeit selten eine Dramaturgie, die sich für einen Roman eignet. Das heißt, man muss einen Mittelweg zwischen Authentizität und Unterhaltungswert finden. 

Sandrock: Glaubwürdigkeit ist uns extrem wichtig. 

Kuhl: Trotzdem betritt Agent Clarice Starling (Das Schweigen der Lämmer) am Ende das dunkle Haus, in dem Buffalo Bill mit Waffe und Nachtsichtgerät auf sie lauert, statt auf das SEK zu warten. Das müssen die echten Polizisten dann halt ertragen.

Sandrock: Wir hatten regen Kontakt mit jemandem vom LKA Hamburg, der uns bei offenen Fragen geholfen hat. Das war sehr hilfreich.

Kuhl: Ja, Knut Cornils, super Typ.

Mich hat die Täterperspektive interessiert.

Ein LKA-Ermittler namens Juha Korhonen, dessen Großvater in der samischen Kultur Nordfinnlands verwurzelt ist, dazu finnische Einsprengsel wie «Vaikka kala olisi kuinka pieni, se on saatava ensin kiinni» (Doch ist der Fisch auch noch so klein, er muss erst mal gefangen sein) ... Habt ihr einen besonderen Bezug zu Finnland? 

Kuhl: Einen besonderen Bezug haben wir nicht. Als wir anfingen, die Figuren zu entwickeln, war ich gerade in Lappland. So einfach ist das.

Es gibt wohl kaum eine schrecklichere Todesart als die, in einer Kiste unter der Erde eingesperrt zu sein und langsam zu ersticken: Stoff für Albträume. Habt ihr euch im Rahmen der Recherche mit bekannten Entführungsfällen der letzten Jahrzehnte beschäftigt, mit Richard Oetker, Ursula Herrmann oder Matthias Hintze?

Sandrock: Von dem Fall Ursula Herrmann habe ich als vielleicht 13-Jähriger zum ersten Mal gehört, und er hat mich tatsächlich Nächte gekostet damals. Im Buch beschreibt Nik Kuhl das als «kindliche Nachtangst», die Juha wach hält. Das kann ich bestätigen. Deswegen hat mich die Idee auch sofort gefesselt, als Nik sie, immerhin 35 Jahre später, vorschlug. 

Kuhl: Was mich an der Tat interessiert, ist das Zwiespältige. Dass die Kiste, in der Ursula Herrmann festgehalten wurde, so konzipiert war, dass das Opfer «so wenig wie möglich» leidet – es gab Verpflegung, ein Abwassersystem, sogar Bücher und Hörspiele. Wie kann jemand, der so skrupellos ist, ein Kind einzusperren, so viele Skrupel haben? Mich hat die Täterperspektive interessiert.

Kuhl + Sandrock + Juha + Lux: Darf man erfahren, ob das Erfolgsquartett bereits in einen neuen Fall verstrickt ist? 

Sandrock: Einen? 

Kuhl: Wir sind schon eine Langzeitbeziehung mit Juha und Lux eingegangen.

Sandrock: Ich freue mich auf jeden Fall immer, die beiden zu treffen. 

Kuhl: Man wird jedenfalls nicht lange auf Band 2 warten müssen.

Kuhl + Sandrock

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