Wie lange arbeiten Sie schon als Literaturübersetzerin? Und die Werke welcher Autor*innen haben Sie bisher übersetzt?
In Vollzeit seit 2008, aber ich habe schon während des Studiums kleinere Texte übersetzt und Gutachten für Verlage geschrieben. Zu meinen Lieblingsautorinnen, deren Bücher ich schon lange übersetze, gehören Sara Stridsberg aus Schweden und Kjersti Skomsvold aus Norwegen, beides Autorinnen aus meiner eigenen Generation, deren Ton und Themen ich mich sehr nahe fühle. Außerdem übersetze ich schon von Anfang die Romane des schwedischen Krimiduos Hjorth / Rosenfeldt für Rowohlt, und auch hier sind mir die Autoren, ihr Protagonist Sebastian Bergman und ihre deutsche Lektorin Nina Grabe sehr ans Herz gewachsen.
Was war bisher Ihre größte Herausforderung?
Einen Roman von fast 1250 Seiten zu übersetzen, ist schon an sich eine große Herausforderung. Dasselbe gilt auf der Mikroebene für Johan Harstads Bandwurmsätze, die sich manchmal über mehrere Seiten erstrecken und die mir auf den ersten Blick sehr untypisch für die norwegische Literatur, ja geradezu deutsch erschienen. Als ich mich an die Arbeit machte, musste ich dann feststellen, dass ich mich leider getäuscht hatte und viele dieser vermeintlich deutschen Bandwürmer komplett auseinandernehmen und neu zusammensetzen musste, um der deutschen Syntax gerecht zu werden. Trotzdem würde ich sagen, dass meine größte übersetzerische Herausforderung Christina Hesselholdts Roman Gefährten war, denn hier spielt die Sprache – voller Witz, literarischer Anspielungen und stilistischer Finessen – ausnahmsweise eine viel prominentere Rolle als die Handlung.
Kannten Sie den neuen Roman von Johan Harstad, bevor Rowohlt Sie mit der Übersetzung beauftragt hat?
Ja, ich habe Johan Harstad und seine ersten Kurzgeschichten noch zu Studienzeiten kennengelernt und seither alles von ihm gelesen. Max, Mischa & die Tet-Offensive war dann allerdings ein ganz besonderes Lektüreerlebnis, und ich habe mich sehr gefreut, dass ich den Roman übersetzen durfte.
Der Roman hat 1248 Seiten. Und trotzdem wünscht man sich am Ende, die Geschichte würde weitergehen. Wie lange haben Sie insgesamt an der Übersetzung gearbeitet? Und fiel Ihnen die Trennung von Max, Mischa, Owen und Mordecai auch so schwer wie uns?
Ich konnte nicht ohne Unterbrechungen an dem Roman arbeiten, insgesamt habe ich wohl anderthalb Jahre gebraucht. Es war ein bisschen so, als wäre ich selbst mit ins Apthorp Building gezogen; dieses Projekt hat eine Zeitlang fast mein ganzes Leben bestimmt. Und mir fiel die Trennung von Max, Mischa, Owen und Mordecai genau wie Ihnen schon beim ersten Lesen schwer. Als ich die Druckfahnen gelesen hatte, war ich natürlich erleichtert, das Großprojekt abgeschlossen zu haben, aber gleichzeitig überkam mich auch eine große Leere: Plötzlich hatte sich die WG aufgelöst, ich saß wieder allein am Schreibtisch. Ich denke oft an die ehemaligen Mitbewohner zurück, träume manchmal sogar von ihnen, als wären sie Menschen aus meinem wahren Leben.
Was hat Sie an der Übersetzung von Max, Mischa & die Tet-Offensive besonders gereizt?
Auf der sprachlichen Ebene neben der besagten Syntax vor allem der Ton, den ich sehr mochte und der im Deutschen genauso mühelos und locker und gleichzeitig doch elegant klingen sollte wie im Original. Inhaltlich hat mich gereizt, dass es in diesem Roman so viel um die Entstehung von Kunst geht. Dabei steht gerade nicht der Geniegedanke im Vordergrund, sondern die oft mühsame Ideenfindung, das kleinteilige Handwerk, die langwierige Vorbereitung und Recherche, die Materialien, die vielen Beteiligten, die im Hintergrund wirken, damit ein Werk überhaupt entstehen kann. All die Arbeit, die man dem Kunstwerk oder Theaterstück am Ende im Idealfall nicht ansieht (oder in Owens Fall anhört). Damit kann man sich auch als Übersetzerin gut identifizieren, und das hat mich über die vielen Seiten hinweggetragen.
Ohne unseren Leser*innen zu viel zu verraten, die das Buch noch nicht zu Ende gelesen haben: Gibt es ein Zitat aus dem Roman, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
Mir haben Mischas Pragmatismus und Empathie sehr gut gefallen. Sie trägt grundsätzlich Socken, die nicht zusammenpassen, auch beim ersten Kennenlernen mit Maxʼ Eltern, und sagt an einer Stelle: Wenn die Leute auch nur die Hälfte der Energie, die sie dafür vergeuden, passende Strümpfe zu finden, auf ihre Mitmenschen verwenden würden, wäre die Welt ein viel angenehmerer Ort. Und ich bin mir sicher, sie hat recht. Die Welt wäre bestimmt schöner, wenn wir unseren Blick wieder mehr nach außen richten und am Schicksal anderer Menschen teilhaben würden, anstatt ständig an unserer Selbstoptimierung zu arbeiten und unsere Socken und Bücher nach Farben zu sortieren.
Kann man als Übersetzerin noch Bücher in der Originalsprache lesen und genießen, ohne sich darüber Gedanken zu machen, wie man diesen oder jenen Satz übersetzen würde?
Ja, natürlich! Es ist eher umgekehrt: Ich erfreue mich an schönen Sätzen und Bildern, spüre manchmal sogar ein Kribbeln in den Fingern, ein sofortiges Verlangen danach, das Buch zu übersetzen. Andererseits lege ich Bücher, die ich sprachlich nicht gelungen finde, auch ziemlich radikal beiseite, dafür ist das Leben einfach zu kurz.
Können Sie uns verraten, woran Sie aktuell arbeiten?
Zur Abwechslung an einem wunderbar kurzen Buch, Christina Hesselholdts Roman Vivian über die amerikanische Fotografin Vivian Maier.