Im Gespräch

«Ich kenne dein Profil. Es wird dir zum Verhängnis werden.»

Der packende Auftakt einer neuen Thrillerserie mit einem ungleichen Hamburger Ermittlerduo

Interview mit Hubertus Borck
© Rowohlt

Der Tote im Sandkasten ist bis zum Kehlkopf eingegraben. Ihm fehlt ein Auge. Der makabre Fund auf einem Hamburger Spielplatz setzt die erfahrene Kriminalkommissarin Franka Erdmann und ihren neuen Assistenten Alpay Eloglu unter Hochdruck. Kurz darauf wird eine junge Influencerin brutal in ihrer Wohnung getötet. Auch wenn sich die Handschriften beider Verbrechen unterscheiden, deutet immer mehr darauf hin, dass es sich um denselben Mörder handelt. Und während die Polizei fieberhaft ein Profil von ihm erstellt, überwacht er bereits den Instagram-Account seines nächsten Opfers, dessen scheinbar perfektes Leben ein grausames Ende finden soll …

DAS INTERVIEW

Nicht alle Leser:innen Ihres Thrillers «Das Profil» werden mit der speziellen Vorgeschichte des Romans vertraut sein, Stichwort: Autorenwettbewerb Rowohlt rotation. Wie sind Sie mit der Herausforderung umgegangen, ein 50-Seiten-Manuskript zu einem vorgegebenen Wettbewerbsplot vorzulegen?
Ehrlich gesagt, ich empfand den vorgegebenen Wettbewerbsplot gar nicht so sehr als Herausforderung, sondern verstand ihn vielmehr als Motivationsschub, kreativ zu werden. Eine Frau erwacht im Flur ihrer Wohnung aus einer Ohnmacht und versucht, ihre Erinnerung zusammenzusetzen. Das ist doch zunächst einmal eine großartige Situation für einen Autor, weil sie viele Fragen aufwirft. Gefühlt stand ich in diesem Moment neben Marie und hätte ihr gerne geholfen. Aber da ratterte auch schon der Film in meinem Kopf, und ich dachte, das ist aber eine hübsche Wohnung, in der die arme Frau liegt. Ich sah einen Kristallleuchter an der Decke. Das hatten die wenigen Zeilen des vorgegebenen Plots bereits losgetreten. Als Herausforderung empfand ich vielmehr die Entscheidung, ob ich tatsächlich an einem Autorenwettbewerb des Rowohlt Verlags teilnehmen sollte. Als Drehbuch- und Theaterautor hatte ich noch nie ein Manuskript geschrieben, geschweige denn einen Roman. Daher habe ich mir absolut keine Chancen ausgerechnet. Die geforderten fünfzig Manuskriptseiten sah ich daher als eine Art Schreibübung an. Ich wollte wissen, ob ich das überhaupt bewerkstelligen kann. Mir war bewusst, dass das Schreiben von Drehbüchern und von Romanen zwei völlig unterschiedliche Paar Schuhe sind. Aber nachdem ich den Prolog meines Wettbewerbsmanuskriptes beendet hatte, war ich völlig fasziniert von dieser Art des Erzählens. Die Entscheidung, am Autorenwettbewerb teilzunehmen, war also auf Seite neun gefallen.

Als die Jury um ZEIT-Chefredakteurin Sabine Rückert und Heike Schmidtke vom Hörbuchverlag Argon Sie zu einem der drei Gewinner des Wettbewerbs kürte, lag ein zweites Abenteuer vor Ihnen, die Mühen der Ebene sozusagen: aus einem 50-seitigen Manuskript ein ganzes Buch von fast 400 Seiten zu machen. War Ihnen von Anfang an klar, dass die Ursprungsidee auch über die lange Strecke tragen würde?
Ja, komischerweise war ich davon überzeugt. Denn die Ursprungsidee war ja nicht, Menschen zu töten, die zu viel Privates von sich im Internet präsentieren. Das ist vielmehr die Folie, auf der ich der Frage nachgehen wollte, wie jemand zum Täter wird. An welcher Stelle im Leben biegt man falsch ab – und warum? Mich interessieren emotionale menschliche Abgründe, die bei manchen eben tiefer und dunkler sind als bei anderen. Natürlich weiß ich, dass eine schreckliche Kindheit und eine furchtbare Sozialisation kein Freifahrtschein für Gewalt und Mord sind. Für mich als Autor wird eine Geschichte aber erst dann richtig interessant, wenn ich auch die furchtbaren Winkel eines Lebens ausleuchten kann. Ich will aufzeigen, nicht bewerten. Ich bin kein Richter.

Den ersten Satz aus «Das Profil» habe ich über zwanzig Jahre mit mir herumgetragen.

Vielleicht noch mal einen Schritt zurück. Sie sind in der deutschen Kreativszene alles andere als ein Unbekannter. Jahrelang tourten Sie als Teil des Musik-Kabarett-Duos Bo Doerek durch die Lande, Sie haben zahlreiche TV-Drehbücher verfasst und an großen Theaterproduktionen gearbeitet. War es eigentlich ein lang gehegter Wunsch, einen Krimi/Thriller zu schreiben – oder ergab sich das eher zufällig, als Sie die Verlagsausschreibung gelesen haben?
Ich glaube nicht an Zufälle. Eins vorweg: Wie viele Autoren hatte auch ich seit Jahren die Idee für einen Coming-of-Age-Roman in der Schublade. Den ersten Satz aus «Das Profil» habe ich über zwanzig Jahre mit mir herumgetragen. Es ist ein bisschen absurd, dass ich eine furchtbare Pandemie und einen Wettbewerb gebraucht habe, um mich an ein Buchprojekt zu wagen, zudem an einen Thriller. Im April 2020 trafen mich beruflich die Corona-bedingten Theaterschließungen. Dreißig Zusatzvorstellungen meines letzten Theaterstücks wurden abgesagt. Ich war ziemlich von der Rolle. Natürlich habe ich beim Fernsehen eine berufliche Heimat. Aber ich wünsche mir manchmal eben Projekte, bei denen ich meine Freiheit im Kopf grenzenloser ausleben kann als beim Drehbuchschreiben oder Plotten. Als Serienautor bin ich ja immer auch den Wünschen der Produktionsfirma und dem Sender gegenüber verpflichtet. Da ich dem Rowohlt Verlag schon lange bei Instagram folge, tauchte kurz nach dem Shutdown der Aufruf zum Autorenwettbewerb in meinem Feed auf. Klar habe ich gelacht und mich gefragt, ob mir das jetzt etwas sagen will. Ich hätte nicht gewagt, dieses Zeichen zu übersehen. Spannungsliteratur zu schreiben, hatte ich zuvor allerdings nie für mich in Betracht gezogen. Daher bin ich selbst umso überraschter, dass mir dieses Genre große Freude bereitet. Meine Familie wundert sich übrigens auch …

In Ihrem Roman spielt der französische Frauenduft-Klassiker Mitsouko eine entscheidende Rolle, der von Jacques Guerlain kreiert wurde. Ob sich die Presseabteilung des französischen Kosmetikkonzerns wohl mal an Sie wenden wird?
Vielleicht, wenn mein Roman eines Tages als «Le Profil» in Pariser Buchhandlungen liegt. Nein, jetzt im Ernst. Das wäre toll! Ich würde den Damen und Herren von Guerlain dann nämlich gerne erzählen, wie ich an meinem fünfzigsten Geburtstag in meine Lieblingsstadt Paris gereist bin und dem Stammhaus der Firma, der Maison de Guerlain auf den Champs-Élysées, einen Besuch abgestattet habe. Dort bin ich in Jeans und Sneakern versehentlich auf einer exklusiven Veranstaltung gelandet. Wunderschöne Menschen in eleganter Kleidung. Erst beim zweiten Glas Ruinart-Champagner habe ich begriffen, dass ich mich versehentlich auf der offiziellen Buchpremiere über die Geschichte des Hauses Guerlain befinde. Mein Französisch ist so miserabel, dass ich ein relativ unfreundliches Gesicht aufgesetzt habe, damit mich bloß niemand anspricht und nach meinem Namen auf der Gästeliste fragt. Ich hatte unfassbaren Spaß und ging nach zwei Stunden satt und betrunken zurück ins Hotel. Ich habe übrigens noch Fotos von der Veranstaltung … Sie wissen, ich glaube nicht an Zufälle.

Das Profil

Ich kenne dein Profil. Es wird dir zum Verhängnis werden. #Qual.#Mord.#Tod.

Der Tote im Sandkasten ist bis zum Kehlkopf eingegraben. Ihm fehlt ein Auge. Der makabre Fund auf einem Hamburger Spielplatz setzt die erfahrene Kriminalkommissarin Franka Erdmann und ihren neuen Assistenten Alpay Eloğlu unter Hochdruck. Kurz darauf wird eine junge Influencerin brutal in ihrer Wohnung getötet. Auch wenn sich die Handschriften beider Verbrechen unterscheiden, deutet immer mehr darauf hin, dass es sich um denselben Mörder handelt. Und während die Polizei fieberhaft ein Profil von ihm erstellt, überwacht er bereits den Instagram-Account seines nächsten Opfers, dessen scheinbar perfektes Leben ein grausames Ende finden soll.

Der packende Auftakt einer neuen Thrillerserie mit einem ungleichen Hamburger Ermittlerduo für Fans von Andreas Winkelmann, Sebastian Fitzek und Michael Tsokos.


 

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Als Leser:in Ihres Thrillers kann man sich schon fragen, wie Sie gerade auf Mitsouko von Guerlain gekommen sind. These 1: Parfüms im Allgemeinen und Mitsouko im Besonderen faszinieren Sie. These 2: Patrick Süskinds Welterfolg von 1985 «Das Parfum. Geschichte eines Mörders» verfolgt Sie bis heute. These 3: Sie sind oder waren Fan des französischen Progressive-Rock-Duos Les Rita Mitsouko. Wir sind gespannt …
Bin ich auf Guerlain gekommen – oder Guerlain auf mich? Ich bin mit diesen Düften aufgewachsen. Meine zweiundachtzigjährige Mutter benutzt noch heute die Klassiker Shalimar und Mitsouko. 1982 bestand ich die Aufnahmeprüfung an der Ballettschule des Hamburg Balletts. Wenn John Neumeier im Haus war, haben wir das in den Gängen gerochen. Er zog immer eine unfassbare Wolke Vetiver von Guerlain hinter sich her. Ich nehme an, er benutzt auch heute noch die Liter-Flakons. 1984 verliebte ich mich in einen Jurastudenten. Der junge Mann roch nach Habit Rouge von Guerlain. Er riecht übrigens heute immer noch danach, auch wenn er schon lange kein Student mehr ist, sondern mein Mann. Entschuldigung, wie war noch mal Ihre Frage …?

Wie sehr freuen Sie sich auf die mit Sicherheit stimmungsvolle Buchpremiere im November 2022 im Schmidtchen auf der Reeperbahn? Sie und Schmidts Tivoli verbindet ja eine lange Geschichte …
Corny Littmann hat meiner Arbeit vor fünfundzwanzig Jahren vertraut und Bo Doerek (zusammen mit Alexandra Doerk) an das Schmidt Theater geholt. Über zehn Jahre haben wir dort und im Schmidts Tivoli immer wieder mit verschiedenen Produktionen gastiert. Und obwohl wir als Formation schon seit 2007 nicht mehr existieren, bin ich dem Haus und seinen Mitarbeitern in all den Jahren künstlerisch verbunden geblieben. Deswegen war es für mich logisch, die Buchpremiere von «Das Profil» dort zu feiern. Ich freue mich sehr auf den Abend, an dem ich natürlich aus dem Roman lesen werde. Aber in erster Linie möchte ich meine Leser:innen kennenlernen und davon erzählen, wie aus einer angedachten Schreibübung eine eigene Printreihe bei rororo wurde. Und wie Bücher überhaupt entstehen, wie viele Prozesse nötig sind vom ersten wirren Gedanken der Autor:innen bis zum fertigen Werk im Buchladen. Außerdem habe ich zur Buchpremiere tolle Gäste eingeladen, die mich bei meiner Recherche unterstützt haben. Ich finde, eine grausame Geschichte verdient einen unterhaltsamen Abend.

Im März 2023 erscheint mit «Die Klinik» Band 2 der Erdmann/Eloğlu-Reihe, ein dritter Teil ist geplant. Dürfen wir uns danach auf weitere Produktionen aus der Borck’schen Schreibstube freuen – oder soll es das erst einmal gewesen sein mit der Spannungsliteratur?
Ich sehe den Autorenwettbewerb bei Rowohlt wie eine Tür, durch die ich mich getraut habe. Und plötzlich stehe ich in einem riesigen Haus, in dem es so viel für mich zu entdecken gibt. Ich liebe Franka und Alpay sehr, und die beiden werden, wenn es nach mir geht, noch einige Fälle lösen. Was aber nicht bedeutet, dass ich nicht hin und wieder auch mal zu der Schublade blicke, in der die Idee zu meinem Coming-of-Age-Roman liegt. Ich müsste mir nur einen neuen ersten Satz ausdenken …

Hubertus Borck

Hubertus Borck

Hubertus Borck, geboren 1967 in Lübeck, war der kreative Kopf des Hamburger Musik-Kabarett-Duos Bo Doerek. Er arbeitet heute als Theater- und Drehbuchautor und schrieb u. a. für «Gute Zeiten, schlechte Zeiten», «Wege zum Glück» und die NDR-Produktion «Rote Rosen». Hubertus Borck lebt in Hamburg.