Karl Marx, Richard Wagner und Friedrich Nietzsche haben das 19. wie das 20. Jahrhundert tief beeinflusst. Als Zeitgenossen, die sich wechselseitig mit Verehrung, Ablehnung oder Ignoranz gegenüberstanden, prägten sie eine Zeit von enormer wissenschaftlicher Vielfalt und gesellschaftlicher Dynamik. Alle drei sprengen die Konventionen der bürgerlichen Welt, erschaffen Neues – das aber dann zu einer anderen, unerwarteten Wirklichkeit wird: Das so vielversprechende, reiche deutsche 19. Jahrhundert geht über ins Zeitalter der Extreme, der politischen Katastrophen. Herfried Münkler folgt diesen drei faszinierenden Gestalten und ruft damit eine ganze Epoche wach.
DAS INTERVIEW
Asymmetrische Kriege, deutsche Mythen, der Erste Weltkrieg, die Evolution der Gewalt im 20. und 21. Jahrhundert, die «Neuen Deutschen», eine «Agenda für Deutschland» (beides zusammen mit Ihrer Frau Marina), der Dreißigjährige Krieg – das sind einige der Themen, mit denen Sie sich beschäftigt haben. Worin lag für Sie als Politikwissenschaftler der Reiz beim Marx/Wagner/Nietzsche-Projekt?
Zunächst einmal war die Beschäftigung mit den dreien, mit Karl Marx, Richard Wagner und Friedrich Nietzsche, eine Rückkehr zu meinem ursprünglichen wissenschaftlich-akademischen Arbeitsgebiet: der politischen Ideengeschichte, wo ich mich früher eingehend mit Machiavelli und Hobbes beschäftigt habe. Außerdem haben Marx, aber auch Wagner und Nietzsche mich während meiner universitären Lehrtätigkeit immer wieder begleitet. Wagner und Marx, die ja Zeitgenossen waren, miteinander zu parallelisieren, ist eine Idee, die ich vor bald zwanzig Jahren hatte, zu deren Ausführung ich in meiner aktiven Universitätszeit aber nie gekommen bin – und vor der ich stets auch ein wenig zurückgeschreckt bin. Nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Universitätsbetrieb habe ich unter Hinzunahme von Nietzsche als Drittem alle Energie und allen Mut zusammengenommen und mich an das Projekt herangetraut.
Was mich zuvor zurückschrecken ließ? Zu jedem der drei gibt es eine unüberschaubare Fülle von Forschungsliteratur und innerhalb derer unzählige Inseln der Spezialisierung – und ich wollte mich gleich mit dreien dieser Giganten beschäftigen. Mit Sicherheit war ich nicht der Erste, der vor einer solchen Herausforderung zurückgeschreckt ist. Man hat sich, um im Bild der Gigantenbesteigung zu bleiben, im Basislager eingerichtet und ist dort geblieben, weil das Erfordernis des mitzuführenden Equipments zu groß war.
Aber Sie haben mich nach dem Reiz und nicht nach den Problemen gefragt. Der Reiz war die Parallelisierung der drei, also der Vergleich, der Ähnlichkeiten und Unterschiede zutage fördert. Marx und Wagner waren, wie gesagt, Zeitgenossen, beide waren in herausgehobener Position an der Revolution von 1848/49 beteiligt, und beide mussten danach ins Exil. Wie haben sie dieses Scheitern verarbeitet? Beider Werk ist, so meine These, in vielerlei Hinsicht eine Verarbeitung – oder auch Bearbeitung – des revolutionären Scheiterns von 1848/49. Bei Nietzsche liegen die Dinge etwas anders, er ist ja eine Generation jünger als Marx und Wagner; für ihn ist die Reichseinigung von 1870/71, die im Übrigen auch die beiden anderen intensiv beschäftigt hat, zum herausfordernden Erlebnis geworden, das er anfangs begeistert begleitet und in dem er dann schon bald das große Verhängnis der Deutschen gesehen hat. Was für Marx und Wagner die Ereignisse von 1848/49 waren, war für Nietzsche 1870/71: eine Zäsur des Denkens. Solche Zäsuren bilden in meinem Buch die Angelpunkte des Vergleichs.
Herausforderung und Vergleich sind für mich die wichtigsten Instrumente bei der Analyse politischer Ideen. Politische Theorien sind Ergebnisse eines Sich-Abarbeitens und Durcharbeitens der großen Herausforderungen einer Ära, die sich freilich im Verlauf des Lebens eines Theoretikers anders darstellen können. Solche Herausforderungen stehen paradigmatisch für einen Umbruch der Gesellschaft, aber was diesen Umbruch ausmacht, verändert sich häufig im Verlauf der Theorie- und Werkgeschichte. Diese Veränderungen nachzuzeichnen war die eine Aufgabe, die ich mir gestellt habe. Sie mit den Mitteln des Vergleichs zueinander in Beziehung zu setzen, war die andere Aufgabe. Das komparative Verfahren ist für die Geistes- und Sozialwissenschaften methodisch etwas Ähnliches wie das Experiment für die Naturwissenschaften. Doch in der Ideengeschichte ist es erstaunlicherweise nur wenig genutzt worden – vermutlich aus eben den Gründen, die ich gerade als Ursache für mein langes Zögern beim Einlassen auf dieses Buch genannt habe: der gleichzeitigen und gleichgewichtigen Beschäftigung mit Autoren, die für sich allein genommen schon anspruchsvoll genug sind. Dabei hat gerade die Parallelisierung von zwei oder drei Denkern, wie ich bei der Arbeit an diesem Buch gemerkt habe, große Vorzüge, denn sie hält einen in kritischer Distanz zu den je behandelten Autoren und ihren Werken. Das ist bei monographischen Studien nicht immer der Fall. Und sie macht zugleich sichtbar, wie unterschiedlich man das Herausfordernde eines Ereignisses oder einer Entwicklung sehen kann. Das zeigt sich gerade bei der Beschäftigung mit Marx, Wagner und Nietzsche als Analytikern ihrer Gegenwart und Prognostikern des Zukünftigen, das wir Heutige als Vergangenheit vor Augen haben: Marx, der die Revolution aus der Politik ins Sozio-Ökonomische verschiebt; Wagner, der konservativ-resignative Neigungen entwickelt, und Nietzsche, der die eigentliche Revolution in einer Umwertung der Werte sieht.
Man könnte meinen, die «Geschichten» um diese Monumente der deutschen Geistesgeschichte seien auserzählt: alle biographischen Winkel ausgeleuchtet, alle Debattenschlachten geschlagen. Das sehen Sie anders; Sie schreiben: «Alle drei waren Sterne, die einen langen rotglühenden Schweif hinter sich herzogen, der immer noch am Funkeln ist beziehungsweise nach zwischenzeitlichem Verblassen im 21. Jahrhundert erneut zu funkeln begonnen hat.» Was funkelt da noch oder wieder?
Was – vielleicht? – auserzählt ist, sind die Vereinnahmungen der drei für bestimmte Sichtweisen und Handlungsvorgaben von Politik und Gesellschaft, also Vereinseitigungen ihres Werks als Handlungsanleitungen, die sich dann mit diversen politischen Bewegungen des späten 19. und des 20. Jahrhunderts verbunden haben, mitunter von der Theorie her durchaus plausibel, in anderen Fällen auf Grundlage einer einseitigen und verkürzten Interpretation, mitunter gar auf der Grundlage einer regelrechten Umfälschung des Werkes. Im Fall von Marx und Nietzsche hat die Editionsphilologie der zurückliegenden Jahrzehnte das Werk wieder zum Leuchten gebracht, indem sie die angelagerte Schlacke eines vereinseitigten, ideologischen Verständnisses abgesprengt und den Glutkern der Theorie – und mit ihm dessen ganze Ambivalenz – wieder sichtbar gemacht hat. Bei Wagner haben Dramaturgen und Regisseure, mitunter auch Dirigenten die Aufgabe der Revitalisierung übernommen, bei Marx und Nietzsche waren es vor allem die Editionsphilologen. Diese Paradoxie beim Rückgewinnen des Werks wird erst im Vergleich erkennbar: bei Wagner Neuinterpretationen, bei Marx und Nietzsche stattdessen interpretatorische Askese, um die Autoren selbst wieder zu Wort kommen zu lassen, also gegensätzlicher Zugriff, ähnliche Ergebnisse.
Was funkelt da wieder? Bei Marx ein konsequenter Humanismus gemäß seiner Formel, alle Verhältnisse seien umzustürzen, in denen der Mensch ein erniedrigtes und geknechtetes Wesen sei. Aber was heißt das im 21. Jahrhundert, im Anthropozän, wo wir von menschengemachten Konstellationen umstellt sind und eben gerade nicht von Ergebnissen der Naturgeschichte, wie Marx das noch gesehen hat? Bei Wagner, dem Bastler von Mythemen, der in diesen Basteleien dem Verhängnis der menschlichen Existenz mitsamt der Chance zur Erlösung auf die Spur kommen wollte, begegnen wir den Anfängen des Strukturalismus, also der Beschäftigung mit Konstellationen, die unser Denken und Handeln präformieren – als Ermöglichung von Daseinsbewältigung ebenso wie als Fesselung an diese Strukturen. So jedenfalls verstehe ich Wagner in werkanalytischer Hinsicht: Es sind nur sehr begrenzte Spielräume, die uns in der strukturellen Determination der gesellschaftlichen Verhältnisse zur Verfügung stehen bzw. sich uns gelegentlich öffnen oder aber ins Verhängnis reißen, wenn wir nur einen kleinen Fehler machen. Und bei Nietzsche dann die Verbindungslinie zum Poststrukturalismus, der Einsicht in das Menschengemachte dieser Strukturen, die Beschäftigung mit der Macht der Sprache und der Begriffe, die wir wieder verflüssigen müssen, um ihrer Herr zu werden – oder eben auch nicht. Man kann sagen, dass die drei großen Denksysteme des 20. und 21. Jahrhunderts ihre erste Ausprägung bei Marx, Wagner und Nietzsche erfahren haben, sodass die Beschäftigung mit ihnen und dem 19. Jahrhundert immer auch eine Beschäftigung mit unserer Gegenwart und unseren aktuellen Ängsten und Hoffnungen ist.
Sie widmen sich ausgiebig den «Übermittlern/Erben», die unseren Blick auf Leben, Werk und Rezeption von Marx, Wagner und Nietzsche geformt haben. Wie stark haben diese die Ismen-Bildung (Marxismus, Nietzscheanismus, wagnerisme) befördert?
Die von Ihnen Angesprochenen – Friedrich Engels, Elisabeth Förster-Nietzsche und Cosima Wagner – waren zunächst diejenigen, die dafür gesorgt haben, dass das Werk von Marx und Nietzsche weithin bekannt und im buchstäblichen Sinn popularisiert wurde bzw. dass Wagners Bayreuther Festspielprojekt nicht mit dessen Tod zu Ende war, sondern jetzt erst in eine kontinuierliche Aufführungspraxis überging. Das ist kein geringes Verdienst. Engels hat das vor allem durch seine das Verständnis anleitenden Vorworte zum Marx’schen Werk getan, und diese Einleitungen traten dann häufig an die Stelle der Marx’schen Schrift. Engels hat Marx nicht verfälscht, aber doch vereinfacht, Ambivalenzen getilgt, kurzum: den Wissenschaftler Marx, der komplex dachte und kompliziert formulierte, für die internationale sozialistische Bewegung anschlussfähig, weil verständlich gemacht – im Übrigen auch durch eigene Schriften, in denen er den «Marxismus» begründet hat. Elisabeth Förster-Nietzsche dagegen hat das Werk ihres Bruders regelrecht verfälscht, um es für den nationalistisch-antisemitischen Zeitgeist des anbrechenden 20. Jahrhunderts zu öffnen. Sie hat ihren Bruder und sein Werk benutzt, um ihren eigenen «Willen zu Macht» ausleben zu können, aber sie hat zugleich dessen Schriften, die bis Anfang der 1890er Jahre Ladenhüter waren, zu einer Marke gleichermaßen widerständigen wie machtkonformen Denkens gemacht. Man kann Engels und Förster-Nietzsche nicht gleichsetzen, aber miteinander vergleichen kann man sie schon. Auf ihre je eigene Art waren sie Genies des publizistischen Marketings.
Das war im Übrigen auch Cosima Wagner, die jedoch in eine entgegengesetzte Richtung ging, indem sie Werktreue und Wiederholung zum Markenkern von Bayreuth machte. Wäre es dabei geblieben, beim orthodoxen Marxismus, einem machtaffinen Nietzscheanismus und einem der Tradition verhafteten Bayreuth als Gralshüter des Wagner’schen Werks, hätten mich die drei kaum interessiert, und ihr Werk wäre insgesamt nur noch von historischem Interesse ohne Bedeutung für Gegenwart und Zukunft. Aber der Glutkern ihres Werks, wie ich das nenne, hat doch immer wieder durch die äußere Schlacke hindurchgeleuchtet und Bearbeiter angezogen, die diese Schlacke abgesprengt haben. Man kann sich mit Marx, Wagner und Nietzsche nicht beschäftigen ohne einen längeren Blick auf die widerspruchsvolle Geschichte der Überlieferung ihres Werks, seiner Traditionalisierung als Modus der Tradierung und der Aufsprengung dieser Verpuppungen als Neubelebungen oder Wiedererweckungen. Ich habe diese Tradierungsgeschichte nicht ins Zentrum gestellt, aber in der Beschäftigung mit dem Werk ist sie mir immer wieder in den Blick gekommen.
Sie haben Marx, Wagner und Nietzsche miteinander ins Gespräch gebracht – ein inszenatorischer Kunstgriff. Die Unterschiede dieser drei «Feuerköpfe» liegen auf der Hand – aber wo sind deren Gemeinsamkeiten?
Unterschiede und Gemeinsamkeiten sind gar nicht so leicht voneinander zu trennen; beide sind mitunter regelrecht ineinander verwoben. Marx und Wagner waren in sichtbarer Weise an der Revolution von 1848/49 beteiligt und mussten danach beide ins Exil. Aber dieser Gemeinsamkeit folgt schon der Unterschied: Wagner agierte als Barrikadenkämpfer im Dresdner Aufstand, Marx hingegen war Chefredakteur der Neuen Rheinischen Zeitung und kommentierte das Geschehen, hielt sich aber stets vom unmittelbaren revolutionären Kampf fern. Wagner war ein Revolutionär in feuriger Entschlossenheit, Marx ein kühler Beobachter und Analytiker. Beide erwarteten im Übrigen schon bald ein Wiederaufflammen des revolutionären Feuers in Paris, doch als das nicht eintrat, sondern Louis Bonaparte die Lage stabilisierte und als Napoleon III. das Zweite Kaiserreich in Frankreich errichtete, zogen sie daraus sehr unterschiedliche Konsequenzen: Marx verlagerte das Zentrum des Revolutionären von der Politik in die sozio-ökonomische Entwicklung, die sich wesentlich untergründig vollzog. Die Revolution ging weiter, auch wenn sie von den Straßen und Plätzen verschwunden war. Oder in Marx’ eigener Metaphorik: Nicht mehr das Krähen des gallischen Hahns, sondern die Wühltätigkeit des Maulwurfs war von nun an der Inbegriff des Revolutionären.
Wagner konzentrierte sich nach dem Ausbleiben revolutionärer Aufstände in Paris auf sein künstlerisches Werk, exemplifizierte das Scheitern des Revolutionärs am Beispiel Siegfrieds im Ring und revolutionierte unterdessen die Musik als Komponist. Die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede sind also ineinander verschränkt. Die Bedeutung der Unterschiede wird erst durch die Beschäftigung mit dem Gemeinsamen sichtbar.
Ähnliches zeigt sich auch bei Nietzsche, der die politische Revolution, den Straßen- und Barrikadenkampf, durchgehend ablehnte und in ihm, wie etwa anlässlich der Pariser Commune von 1871, nur eine Bedrohung von Zivilisation und Kultur sah. Er identifizierte die Kraft des Revolutionären nicht wie Marx im Sozio-Ökonomischen, sondern in der Veränderung von Denkmustern und Identitäten. Die Schaffung des schlechten Gewissens etwa, so seine Sicht, war ein die Geschichte der europäischen Menschheit revolutionierender Vorgang, ebenso wie dies die von Nietzsche angestrebte «Umwertung der Werte» sein sollte, in der die Sache mit dem schlechten Gewissen wieder rückgängig gemacht werden sollte. Nietzsche begriff dieses Empfinden des Schuldigseins als Krankheit und präsentierte die Überwindung dessen als «große Gesundheit».
Damit sind wir bei einer weiteren Gemeinsamkeit der drei: ihren Krankheiten, ihrer notorischen Beschäftigung mit diesen Krankheiten, den Karbunkeln, dem Leberleiden, den Herzbeklemmungen und der Migräne. Im Rückblick kann man sagen, dass die Therapien, denen sie sich unterzogen, auf eine schleichende Selbstvergiftung hinausliefen – Schicksale im Zeitalter vor Erfindung der Antibiotika, die zumindest Marx und Wagner ein leichteres und längeres Leben verschafft hätten. Aber im Gemeinsamen treten sogleich auch wieder die Unterschiede zutage: Marx hat auf den wissenschaftlich-technischen Fortschritt gesetzt und ihn gewollt – auch und gerade mit Blick auf Biologie und Medizin. Wagner hat diesem Fortschritt misstraut und ihn – zumindest teilweise – abgelehnt. Medikamente hat er jedoch in Hülle und Fülle zu sich genommen, durchaus im Widerspruch zu dem von ihm propagierten Vegetarismus. Und Nietzsche wiederum hat die Krankheit als Metapher der Moderne begriffen; man müsse durch die Krankheit hindurch, um die Moderne begreifen und überwinden zu können. Also auch hier: Die Gemeinsamkeiten sind die Ausgangspunkte für die Beschreibung von Unterschieden, von denen die interessantesten weniger «auf der Hand liegen», als man zunächst meint. Und gerade in der Betrachtung evidenter Unterschiede, etwa im Umgang mit dem damals aufkommenden Antisemitismus, lassen sich bei der Darstellung der Unterschiede plötzlich Ähnlichkeiten, wenn nicht Gemeinsamkeiten entdecken, die überraschen.
Gab es während Ihrer Arbeit an Ihrem neuen Buch irgendetwas, was Sie total überrascht hat – etwas, das Ihr Vorwissen auf den Kopf gestellt hat?
Vielleicht nicht «total überrascht» und mein «Vorwissen auf den Kopf gestellt» – aber doch mein Vorwissen verändert, weil es in der vorliegenden Forschungsliteratur nicht oder nur unzulänglich gesehen wurde: Karl Marx hat sich mit Richard Wagner sehr viel ausführlicher beschäftigt, als man das bislang gesehen hat, nicht nur mit dem Ring, sondern auch mit Wagners Musik, auf deren Neuerungen er zutiefst ablehnend – eben konservativ – reagiert hat. Das Klischee vom revolutionären Marx und dem im Exil konservativ gewordenen Wagner stimmt zumindest dort nicht, wo Marx, der Denker der Zukunft, Wagners «Zukunftsmusik» aus ästhetischen Gründen ablehnt. Aber das ist eine komplizierte Geschichte, der ich in meinem Buch vor allem mit Blick auf die Idee einer Wiedergeburt der griechischen Kunst bei Wagner und Nietzsche sowie der Gegenthese von der Unmöglichkeit einer solchen Wiedergeburt bei Marx nachgegangen bin. Auch dabei hatte ich das Gefühl, ziemlich verwirrte und verwickelte Fäden aufzurollen und dabei auf Aspekte im Denken von Marx, Wagner und Nietzsche zu stoßen, die in den jeweiligen Monographien übersehen worden oder zumindest nicht zur Sprache gekommen sind.