Aki Kaurismäki findet ihn großartig, für die Times gehört er zu den Besten überhaupt und Bela B von den Ärzten ist einer seiner größten Fans: Antti Tuomainen. Doch ohne Niina Katariina Wagner und Jan Costin Wagner blieben seine Romane für die allermeisten von uns bloßes siansaksa (finnisch für Kauderwelsch). Gemeinsam haben die beiden Tuomainens Romane «Die letzten Meter bis zum Friedhof» und das dieser Tage erschienene «Palm Beach Finland» übersetzt. Niina Katariina Wagner, geboren in Finnland, ist neben ihrer Tätigkeit als Übersetzerin freie Künstlerin; ihr Mann Jan Costin Wagner schreibt selbst Kriminalromane, für die er vielfach ausgezeichnet wurde, und ist außerdem Musiker. Wir haben den beiden ein paar Fragen zum Übersetzen aus dem Finnischen gestellt.
Mord und humoori
8 Fragen an die Übersetzer des finnischen Krimi-Autors Antti Tuomainen
Das Interview
Es gibt Wörter, so heißt es, für die existiert keine treffende Übersetzung – z.B. die deutsche «Gemütlichkeit». Was wäre ein finnischer Begriff, an dem Sie sich die Zähne ausbeißen?
Niina Katariina Wagner (NKW): Da muss ich spontan an eine Anfrage eines Freundes von heute Mittag denken. Er fragte nach dem finnischen Begriff «kalsarikännit». Das heißt zu Deutsch so viel wie: «Sich alleine besaufen, zu Hause, in Unterwäsche.»
Jan Costin Wagner (JCW): Das ist definitiv ein finnischer Begriff, an dem man sich die Zähne ausbeißt, wenn man versuchen möchte, ihn in einem Wort zu übersetzen.
NKW: Interessant ist vielleicht auch, dass es im Finnischen deutlich mehr Arten und Weisen gibt, den Schnee in seinen Erscheinungsformen zu beschreiben.
Wie übersetzt es sich denn zu zweit? Haben Sie eine bestimmte Aufteilung?
JCW: Niina ist zunächst mal für das Wichtigste zuständig, nämlich für den Transfer des finnischen Textes ins Deutsche. Gemeinsam erarbeiten wir dann die Schlussfassung.
NKW: Für mich ist es immer angenehm zu wissen, dass Jan grammatikalisch im Deutschen auch Einiges drauf hat. Und er ist sehr akribisch, sobald es um die Erarbeitung der Schlussfassung geht.
Kannten Sie Antti Tuomainen schon, bevor Sie mit der Übersetzung beauftragt wurden?
NKW: Wir kannten ihn zunächst nicht, haben aber seinen Roman von der ersten Zeile an sehr gemocht – und damit ja eigentlich auch schon ihn selbst.
JCW: Das stimmt. Und ich habe ihn jetzt bei einigen gemeinsamen Lesungen kennengelernt. Es war ein freundschaftliches Empfinden vom ersten Moment an. Ein sehr sympathischer, kluger, humorvoller Mensch.
Was ist am Stil von Antti Tuomainen aus Übersetzersicht das Besondere?
NKW: Er hat in meinen Augen eine eigene Art, schwarzen Humor mit einem poetischen Unterton zu verbinden. Das führt zu schnellen Wechseln in der Grundstimmung, zwischen Drastik, Lyrischem und Lustigem.
JCW: Ja, das trifft es gut. Ich mag auch die unprätentiöse Art und Weise, in der er sich grundlegenden Fragen des Lebens annähert. Dem Humor und den zeitweise schrillen Ereignissen wohnt immer auch etwas Unaufgeregtes inne.
Vergessen Sie bei besonders packenden Szenen manchmal, dass Sie gerade übersetzen, und lassen sich von der Lektüre mitreißen?
NKW: Wenn es besonders drastisch oder dramatisch wird, lese ich manchmal erst mal weiter, in der Hoffnung, dass alles gut ausgeht. In «Palm Beach, Finland» war das zum Beispiel der Fall, als der etwas obskure Betreiber des Feriendorfes in Schwierigkeiten geriet.
JCW: Ein netter Kerl übrigens, wenn auch auf den zweiten Blick. Ja, ich blättere auch manchmal vor, weil einfach die Leselust es einfordert oder auch, um ein Gefühl zu verdichten, einen Eindruck davon, wie eine Szene inhaltlich angelegt ist.
Und wie behilft man sich, wenn eine Figur in einer finnischen Mundart spricht, die sie beispielsweise als älteren Landbewohner kennzeichnet. Spricht die in der Übersetzung dann Plattdeutsch?
NKW: Wenn ich mich richtig erinnere, hat bislang keine von Antti Tuomainens Figuren Dialekt gesprochen.
Wie beeinflussen eigentlich Ihre anderen Professionen – also die Malerei, die Musik, die Schriftstellerei – Ihr Übersetzen?
NKW: In gewisser Weise ist es umgekehrt, das Übersetzen beeinflusst zuweilen die Malerei. Um mich gegen die schlimmen Ereignisse zu wappnen, die dem Romanhelden in „Die letzten Meter bis zum Friedhof“ zustießen, habe ich zum Beispiel eine ganze Reihe naiv-idyllischer Blumenmotive gezeichnet.
JCW: Musik und Literatur gehen für mich immer Hand in Hand. Schreiben, auch Übersetzen, ist letztlich Melodie-Suche, ähnlich wie beim Komponieren eines Songs.
Was wäre das schönste Kompliment, was man Ihnen als Übersetzerin und Übersetzer machen kann?
NKW: Schön ist der Gedanke, dass der Leser vergisst, eine Übersetzung zu lesen.
JCW: Da stimme ich zu. Schön war auch die Erfahrung bei den Lesungen, als die Zuhörer über Anttis Humor von Herzen lachen konnten. Das habe ich einfach mal im Stillen auch als Kompliment an die Übersetzer gewertet und mich darüber gefreut.