Wie ein Reh auf dem Rockkonzert – so beschreibt Eva Lohmann das Gefühl, ein stiller Mensch in einer lauten Familie zu sein. Wie funktioniert der Alltag in einer Familie, wenn einer Ruhe braucht und der andere Input? Was kann man Eltern sagen, die sich sorgen, ihre stillen Kinder könnten in unserer extrovertierten Gesellschaft untergehen? Und was dem Partner, der sich, sobald die Kinder im Bett sind, unterhalten will, während man sich selbst nur noch mit Buch aufs Sofa flüchten möchte? Introvertierte sind oft sehr tiefgründige, nachdenkliche Menschen, gute Zuhörer und noch bessere Beobachter. Aber sie brauchen Schutzräume und die Ermutigung, so sein zu dürfen, wie sie sind. Und sie müssen Strategien erlernen, sich als stille Menschen in dieser Welt zurechtzufinden. Wie das funktionieren kann, zeigt Eva Lohmann anhand ihrer eigenen Geschichte als Introvertierte.
DAS INTERVIEW
Ihr Buch startet mit einem wunderbaren Zitat von Amy Schumer: «Introvertiert zu sein bedeutet nicht, schüchtern zu sein. Es bedeutet, dass du es genießt, allein zu sein. Du genießt es nicht nur, du brauchst es. Wenn du wirklich introvertiert bist, sind andere Menschen für dich wie Energie-Vampire: Du hasst sie nicht, aber du musst genau planen, wann du dich ihnen aussetzt – wie der Sonne.» Ab wann wussten Sie als Kind, dass Sie anders sind, anders ticken als andere Kinder?
Es gab nicht den einen Moment, in dem mir das klar wurde. Es waren eher Hunderte kleine Alltagssituationen, in denen ich mitbekam, dass ich anders war, als von mir erwartet wurde. Sehr anschaulich manifestierte sich das in einem Satz, den auch heute noch viele introvertierte Kinder von ihren Eltern zu hören bekommen: «Spiel doch mal mit den anderen Kindern.» (Ein Satz, der ermuntern soll, aber unterschwellig kommuniziert: So wie du dich gerade verhältst, bist du nicht richtig.)
Introvertiertheit ist etwas anderes als Schüchternheit oder Hochsensibilität. Es ist ein Charakterzug, ein Persönlichkeitsmerkmal – und kein Krankheitsbefund. Wie schwer ist es, anderen verständlich zu machen, wie es sich anfühlt, als stiller, introvertierter Mensch durch die Welt zu gehen?
Ich würde sagen, je extrovertierter ein Mensch ist, desto schwerer fällt es ihm, sich in einen Introvertierten hineinzuversetzen. Deswegen gibt es in meinem Buch – und auch auf der Homepage von Rowohlt – meine «Gebrauchsanweisung für Introvertierte». Kann man einfach weiterleiten; sie erklärt sehr anschaulich, wie Introvertierte «funktionieren».