Im Gespräch

Die Quarks Science Cops im Gespräch

Fakten statt Scheinargumente, Wissenschaft statt Scharlatanerie, Aufklärung statt Abzocke!

«Aber meiner Tante hat’s geholfen»

Deutschland stellt sich gerne als Land der Aufklärung und Wissenschaft dar, doch der Schein trügt: Ignoranz, Unkenntnis und Wissenschaftsablehnung durchziehen alle Gesellschaftsschichten und führen zu Falschinformationen bis hin zur gesellschaftlichen Spaltung. Hier kommen die Quarks Science Cops des WDR mir ihrem neuen Buch «Aber meiner Tante hat’s geholfen» ins Spiel:

 

DAS INTERVIEW

Was hat euch dazu bewogen, «Aber meiner Tante hat's geholfen» zu schreiben?

Wir wollten eine Anleitung schreiben, wie man im Alltag selbst wissenschaftliche Desinformation entlarven kann. Wir recherchieren für unseren Podcast Quarks Science Cops seit vier Jahren zu den dreisten Methoden, mit denen irgendwelche Wundermittel-Hersteller versuchen, ihre in Wahrheit völlig wirkungslosen Produkte an die Leute zu verkaufen. Oder mit welchen Argumentationen Klimawandelleugner die Öffentlichkeit in die Irre führen wollen. Wir haben dabei zwei Dinge bemerkt. Erstens: Wissenschaftliche Desinformation ist erschreckend weit verbreitet. Und zweitens: Die Tricks und Strategien des unwissenschaftlichen Unfugs sind immer die gleichen, egal ob es um Alternativmedizin geht, Nahrungsergänzungsmittel oder die Verharmlosung der Gefahren des Rauchens. Wenn man diese Methoden kennt und durchschaut, dann kann man nicht mehr so leicht abgezockt und in die Irre geführt werden.

Wenn ein Familienmitglied auf unwissenschaftlichen Unsinn hereinfallen ist, wie kann ich denjenigen "aufklären", um eine konstruktive Diskussion zu führen und sie behutsam zur wissenschaftlichen Wahrheit zu führen, ohne sie dabei vor den Kopf zu stoßen?

Was eher schwierig ist, ist Menschen im direkten Gespräch zu überzeugen. Viele geraten schnell in eine Verteidigungshaltung und niemand wird gerne vor anderen zugeben, auf irgendwas reingefallen zu sein. Wenn man ein Familienmitglied darüber aufklären möchte, dass es zum Beispiel keine gute Idee ist, sich gesundheitlichen Rat bei einem Kinesiologen zu holen oder teure Pflaster aus der Internet zu bestellen, die angeblich bei Schlaflosigkeit helfen, ist es besser, ihm Informationen an die Hand zu geben, die er oder sie zu einem späteren Zeitpunkt für sich allein und ganz in Ruhe anschauen kann. Das können Onlinetexte sein, Podcasts oder Bücher.

Vertrauen ist gut, Hirn anzweifeln ist besser.

Was sind für euch klassische 'red flags' bei Wundermittelherstellern, auf die die Öffentlichkeit achten sollte? Gibt es bestimmte Formulierungen, Verkaufstaktiken, die sofort misstrauisch machen sollten?

Ganz besonders skeptisch sollte man werden, wenn ein Heilmittel damit beworben wird, gegen so gut wie alle Krankheiten zu helfen und keine Nebenwirkungen zu haben. Das ist unmöglich. Mittel, die vom Schnupfen bis zum Krebs alles Mögliche heilen können, gibt es nicht. Und wenn etwas keine Nebenwirkungen hat, dann hat es in der Regel auch keine Wirkung.

In einer Welt voller Informationen – und Desinformationen –, könnt ihr eine Methodik aufzeigen, wie Laien schnell die Glaubwürdigkeit einer wissenschaftlichen Aussage oder eines vermeintlichen Fakts prüfen können?

Am besten erstmal schauen, ob die Quarks Science Cops schon eine Folge dazu gemacht haben. Dann ist es eigentlich immer Unsinn. ;) Spaß beiseite - leider sind viele pseudowissenschaftlichen Fakes mittlerweile so gut und perfide kreiert, dass man auf die Schnelle gar nicht erkennen kann, ob es sich um Unfug handelt oder nicht. Was generell hilft, ist eine skeptische Grundeinstellung zu Nachrichten, die zu gut klingen, um wahr zu sein. Meist sind sie dann nämlich wirklich nicht wahr. Ansonsten hilft es manchmal schon, sich den Artikel bei Wikipedia durchzulesen, um einen ganz groben ersten Eindruck zu bekommen. Da fehlt es zwar häufig an Details, meist geht die Grundeinschätzung aber schon in die richtige Richtung. Alternativ lohnt sich eine Suche auf der Seite Psiram.de, eine Art Wikipedia für unwissenschaftlichen Unsinn und Scharlatane.

«Aber meiner Tante hat’s geholfen»

Bestseller

Die Wissenschaftsjournalisten und Quarks Science Cops Maximilian Doeckel und Jonathan Focke entlarven in ihrem Buch die schmutzigen Tricks und manipulativen Techniken, mit denen Wundermittelhersteller, selbst erklärte «Heiler» und andere Geschäftemacher versuchen, Profit aus der Gutgläubigkeit der Menschen zu schlagen. Deren Methoden sind nämlich ziemlich perfide und z. B. darauf ausgelegt, emotionale (Not-)Situationen auszunutzen. Die Autoren helfen uns dabei, wissenschaftliche Falschaussagen zu erkennen, zeigen, wie wir Pseudoexperten von echten unterscheiden können und aufgeklärter durchs Leben gehen. Nach der Lektüre des Buches wissen wir, wo und wie in Deutschland unwissenschaftlicher Unfug erzählt wird. Ob Medizin, Politik, Ernährung, Parawissenschaften – die Quarks Science Cops ermitteln in jedem Lebensbereich und vermitteln Sachinformationen und konkrete Argumentationshilfen für den nächsten WhatsApp-Familenchat mit einer guten Prise Humor. 

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Warum fallen wir überhaupt immer wieder auf Falschaussagen oder Pseudoexperten herein? Wie können wir uns individuell und als Gesellschaft davor schützen?

Weil wir Menschen uns häufig einfach wünschen, dass die Falschaussagen doch richtig sind und die Pseudoexperten Recht haben. Das kann viele verschiedene Gründe haben: Sei es der chronisch Kranke, der sich vom Gesundheitssystem übersehen fühlt. Oder die Pendlerin, die Angst hat, sich ein E-Auto nicht leisten zu können. Da kommt der Alternativmediziner gerade Recht, der einen Ausweg aus der Krankheit verspricht - oder der Populist, der das E-Auto schlecht redet. Auf der individuellen Ebene hingegen geht es vor allem darum, die Taktiken der Trickserinnen und Trickser zu erkennen. Und dabei hilft natürlich unser Buch. Desinformation auch auf einer gesellschaftlichen Ebene zu bekämpfen ist ungleich schwieriger. Im Kern geht es darum, die Ängste der Menschen ernst zu nehmen und Veränderung so zu gestalten, dass sie möglichst wenig Menschen zu gesellschaftlichen Verlierern macht. 

Maximilian Doeckel

Maximilian Doeckel

Maximilian Doeckel ist Wissenschaftsjournalist und arbeitete als freier Journalist für verschiedene Sendungen des WDRs, vor allem für Wissenschafts- und Unterhaltungsformate. Inzwischen ist er festangesteller Redakteur in der Quarks-Redaktion. Zusammen mit Jonathan Focke ist er einer von zwei Science Cops.

Jonathan Focke

Jonathan Focke

Jonathan Focke hat Wissenschaftsjournalismus mit dem Schwerpunkt Physik an der TU Dortmund studiert und als Redakteur für die Sendung „Quarks & Co“ und die Wissenschaftsredaktion im Hörfunk gearbeitet. Seit 2016 ist er Redakteur im Digitalteam von Quarks und inzwischen Produktverantwortlicher der digitalen Marke. Zusammen mit Maximilian Doeckel ist er einer von zwei Science Cops.