Remigiusz Mróz, der Nr.-1-Thrillerautor aus Polen, schreibt so lebensnah und eindrücklich, dass es uns Lesern eiskalt über den Rücken läuft. Dank Marlena Breuer und Jakob Walosczyk können wir seine Werke jetzt auch auf Deutsch lesen. Das Übersetzerduo berichtet im Interview, wie sie sich die Übersetzung aufgeteilt haben, was sie an dem Buch besonders gereizt hat und ob man als Übersetzer*in überhaupt noch Bücher in Originalsprache lesen und genießen kann.
«Endlich mal ein Buch aus Polen, das auf ein ganz großes Publikum zielt»
10 Fragen an Marlena Breuer und Jakob Walosczyk, die Übersetzer des polnischen Thrillers «Die kalten Sekunden» von Remigiusz Mróz
DAS INTERVIEW
Wie lange arbeiten Sie schon als Literaturübersetzer? Und welche Autor*innen haben Sie bisher übersetzt?
Marlena Breuer (MB): Meine erste größere Übersetzung ist 2016 erschienen, Bestiarium von Tomasz Różycki. Dann kam ein Gedichtband von Andrzej Kopacki, den ich mit Jakob Walosczyk zusammen übersetzt habe, Bisweilen andere Launen. Und dann Mikołaj Łozińskis Buch.
Jakob Walosczyk (JW): Ich habe in den letzten Jahren einige Übersetzungen aus dem Russischen und Polnischen in Zeitschriften publiziert. Ansonsten habe ich lange Jahre versucht, den Roman eines inzwischen leider schon verstorbenen polnischen Autors bei einem deutschsprachigen Verlag unterzubringen. Leider vergeblich, aber das gehört manchmal dazu, wenn man sich mit dem Übersetzen beschäftigt.
Was war bisher Ihre größte Herausforderung?
MB: Schwer zu sagen. Wahrscheinlich Bestiarium, der unmöglichen Satzkonstruktionen und noch unmöglicheren Ideen wegen, die der Autor da hatte. Die Gedichte waren auch nicht einfach, aber wir haben sehr eng zusammengearbeitet, alle drei, also Jakob, Andrzej und ich, und am Schluss waren wir zufrieden.
Kannten Sie «Die kalten Sekunden» von Remigiusz Mróz, bevor Rowohlt Sie mit der Übersetzung beauftragt hat?
MB: Ja. Ich hatte von Rowohlt zuerst den Auftrag erhalten, das Buch zu begutachten. Mir hat es gut gefallen, ich habe es zur Übersetzung empfohlen. Dass ich auch aus dem Polnischen übersetze, habe ich dem Verlag erst hinterher gesagt und dann den Übersetzungsauftrag bekommen.
JW: Nein. Umso spannender fand ich den Prozess des Übersetzens. Ich las das Buch quasi zum allerersten Mal und übersetzte es gleichzeitig. Am liebsten hätte ich so schnell übersetzt, wie ich lesen kann, weil ich unbedingt wissen wollte, wie es mit Kassandra und Werner weitergeht.
Wie haben Sie sich die Übersetzung aufgeteilt? Und arbeiten Sie oft als Team?
MB: Ich hatte mit der Übersetzung angefangen. Als das Buch dann schneller als gedacht fertig werden sollte, habe ich Jakob gefragt, ob er mitmacht. Wir haben ja schon vorher zusammengearbeitet, und mit den zwei Erzählerstimmen im Buch bietet sich an, dass jeder eine Stimme übersetzt, zumal unser Stil sehr unterschiedlich ist. Die männliche Seite habe ich übernommen. :-) Dem Autor hat es auch sehr gut gefallen, dass zwei Übersetzer an der deutschen Version beteiligt waren.
Was hat Sie an der Übersetzung von «Die kalten Sekunden» besonders gereizt?
MB: Der Gedanke, dass es einen polnischen Thriller auf Deutsch geben wird.
JW: Genau, endlich mal ein Buch aus Polen, das auf ein ganz großes Publikum zielt. In der Regel handelt es sich bei polnischer Literatur in deutscher Übersetzung ja um anspruchsvolle Texte, die eher nicht für die große Masse an Lesern gedacht sind. Schön, dass Rowohlt mit diesem Roman einen anderen Weg geht. Vielleicht entsteht ja so ein neuer Trend …
Und was reizt Sie an der polnischen Sprache? Gibt es Besonderheiten, die Sie mögen, die Sie im Deutschen vermissen?
MB: Oje. Ich fühle mich im Polnischen sehr wohl, nicht nur, weil ich die Sprache gut kann. Das passt irgendwie mit uns beiden. Aber ich vermisse nichts im Deutschen, was das Polnische kann. Das Deutsche hat ja selbst genügend Möglichkeiten.
JW: Das Polnische hat so eine Tendenz, Dinge kurz und knapp, mit viel Schmackes auf den Punkt zu bringen. Das geht dem Deutschen – zumindest dem Hochdeutschen – ein bisschen ab.
Ohne unseren Leser*innen zu viel zu verraten, die das Buch noch nicht zu Ende gelesen haben: Können Sie einen Satz oder eine Szene im Roman nennen, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben sind?
MB: Das Ende des zweiten Teils. Da gibt es eine große Überraschung.
JW: Ich finde die immer wieder geschilderten Gewaltausbrüche unglaublich eindringlich.
Kann man als Übersetzer*in noch Bücher in Originalsprache lesen und genießen, ohne sich darüber Gedanken zu machen, wie man diesen oder jenen Satz übersetzen würde?
MB: Teilweise. Wenn ich auf der Suche nach einem Buch bin, denke ich beim Lesen auch schon ans Übersetzen. Andere Bücher dagegen lese ich einfach – und genieße.
JW: Kommt aufs Buch an. Wenn ich den «Moby Dick» lese, habe ich im Hinterkopf, dass der bestimmt schon zehnmal ins Deutsche übersetzt wurde, zuletzt vor ein paar Jahren. Meine Übersetzung bräuchte also kein Mensch. Da kann ich dann den übersetzerischen Eifer ganz gut ausblenden und einfach genießen.
Möchte man nach so vielen Übersetzungen nicht einmal selbst ein Buch schreiben?
MB: Klar.
JW: Kann nur zustimmen.
Können Sie uns verraten, woran Sie aktuell arbeiten?
MB: Wir arbeiten am nächsten Buch, dem direkten Anschluss an «Die kalten Sekunden». Es bleibt nämlich spannend ...
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