Der Druck zu Selbstoptimierung und Effizienz durchzieht inzwischen alle Lebensbereiche. Unsere Erfolge sollen immer noch größer sein, unsere Partnerschaften glücklicher, unsere Körper sportlicher, unsere Urlaube spektakulärer, unsere Einrichtungen stilvoller. Wir sind: nie gut genug. Die Schattenseiten dieser Entwicklung liegen auf der Hand – durch das verbissene Streben nach Bestleistungen vernachlässigen Perfektionist:innen Ernährung, Schlaf und Erholung. Angst- und Zwangsstörungen, Depression und Burnout sind die Folge. Thomas Curran, Assistant Professor am Department of Psychological and Behavioural Science der London School of Economics, zeigt in seiner brillant geschriebenen Studie Auswege aus der Perfektionsfalle.
Hier einige Themen und Thesen des Buches:
Perfektionismus – der neue Zeitgeist schlechthin
Die westliche Kultur, in der wir leben, ist ein Gewebe perfektionistischer Fantasien, dem sich niemand von uns entziehen kann. Sie ist wie die holografische Simulation einer völlig übertriebenen Realität, in der Hochglanzfotos und bewegte Bilder perfekter Lebensentwürfe von City-Light-Postern, Kinoleinwänden, Fernsehbildschirmen, Werbespots und Social-Media-Feeds flackern. Dieses Hologramm feuert unablässig Partikel einer unrealistischen Wirklichkeit mit ihrer Botschaft auf uns: Wir könnten ein glückliches und erfolgreiches Leben führen, wenn wir denn nur perfekt wären – und alles wird in sich zusammenfallen, wenn wir uns zu weit von diesem Ideal entfernen. Diese Vorstellung ist real, greifbar und allgegenwärtig, und sie hat uns so durchdrungen, dass Perfektionismus zu unserem ständigen Begleiter geworden ist, der sich nicht abschütteln lässt. Andauernd zerbrechen wir uns den Kopf darüber, was wir nicht haben, wie wir nicht aussehen und was uns nicht gelungen ist.»
Was ist Perfektionismus?
«Perfektionismus ist in der modernen Kultur das Erkennungszeichen des selbstaufopfernden Erfolgs, eine Art goldene Mitgliedsnadel, mit der über eine gänzlich andere Realität hinweggetäuscht wird. (…) In einem Wirtschaftssystem, in dem gnadenlose Wettkämpfe und eine kompromisslose Siegermentalität der Alltag sind, verkommt ‹Durchschnitt› regelrecht zu einem Schimpfwort. (…) Es ist deutlich, wie irrational es ist, den Perfektionismus zu verherrlichen. Im Grunde genommen ist Perfektion ein utopisches Ziel. Sie ist nicht messbar, oft subjektiv und für uns Normalsterbliche völlig außerhalb unserer Reichweite. ‹Wahre Perfektion›, scherzte der Justizpsychologe Asher Pacht, ‹existiert nur in Todesanzeigen und Grabreden.› Sie ist eine Illusion, ein Holzweg.»