Ein zutiefst unglücklicher junger Mann trifft auf einen Philosophen, der ihm erklärt, wie jeder von uns in der Lage ist, sein eigenes Leben zu bestimmen, und wie sich jeder von den Fesseln vergangener Erfahrungen, Zweifel und Erwartungen anderer lösen kann. Es sind die Erkenntnisse von Alfred Adler – dem großen Vorreiter der Achtsamkeitsbewegung –, die diesem bewegenden, zutiefst befreienden Dialog zugrunde liegen. «Du musst nicht von allen gemocht werden» von Ichiro Kushimi/Fumitake Koga ist ein so zugänglicher wie tiefgründiger, außergewöhnlicher Lebenshilfe-Ratgeber – Millionen haben ihn bereits gelesen und profitieren von seiner Weisheit.
Zu den Autoren
Ichiro Kishimi, geboren 1956 in Kyoto. Seit er sich 1989 auf die klassische westliche Philosophie mit dem Schwerpunkt der Platonischen Lehren spezialisierte, erforscht er die Psychologie Alfred Adlers. Er hat mehrere Werke Adlers ins Japanische übersetzt.
Fumitake Koga, geboren 1973, ist ein mehrfach preisgekrönter Autor. Mit Ende zwanzig begegnete er der Psychologie Adlers – eine Faszination, die ihn bis heute nicht losgelassen hat.
Aus der Vorbemerkung: «Sigmund Freud, Carl Jung und Alfred Adler sind drei Giganten in der Welt der Psychologie. Dieses Buch ist ein Extrakt aus Adlers philosophischen und psychologischen Ideen und Lehren in Form eines anschaulich erzählten Dialogs zwischen einem Philosophen und einem jungen Mann. Die Adler’sche Psychologie genießt in Europa und den USA breite Anerkennung und präsentiert einfache und direkte Antworten auf die philosophische Frage: Wie kann man glücklich sein? In der Adler’schen Psychologie liegt vielleicht der Schlüssel dazu. Die Lektüre dieses Buches könnte Ihr Leben verändern. Lassen Sie uns nun den jungen Mann begleiten, wagen wir uns durch die ‹Tür›.»
Wer wissen will, was die beiden Antipoden – der wilde, wissbegierige und radikal zweifelnde junge Mann und der alte Gelehrte – einander zu sagen haben, kann hier in den Dialog zweier kluger Köpfe eintauchen. Es geht wie im Sokratischen Dialog um ganz essentielle Fragen, die unser Leben betreffen, unsere Vergangenheit, unsere Gegenwart und unsere Zukunft: Alle Probleme sind zwischenmenschliche Beziehungsprobleme; das eigene Unglück ist selbstgewählt; Fehler zuzugeben ist keine Niederlage; was wahre Freiheit ist; Gemeinschaftsgefühl – wichtiger als alles andere; Selbst-Akzeptanz statt Selbst-Bestätigung; Engagement für das Gemeinwohl als das Wesen der Arbeit.
Wir haben im Folgenden dem Dialog der beiden zur besseren thematischen Orientierung nur die Fragen vorangestellt:
Die Welt ist einfach und jeder kann glücklich sein
Frage: Kommen wir gleich zum Ausgangspunkt Ihrer Differenzen. Ist die Welt wirklich einfach und das Glück für jeden erreichbar?
Junger Mann: Nun, wenn wir noch in einer Zeit leben würden, in der die Religion alles beherrschte, wäre das Streben nach Erlösung eine Option, denn die göttlichen Lehren bedeuteten damals alles für uns. Alles, was wir tun mussten, war, sie zu befolgen, und folglich gab es wenig, worüber wir nachdenken mussten. Aber die Religion hat ihre Macht verloren, und es gibt keinen wirklichen Glauben mehr an Gott. Wenn man sich auf nichts verlassen kann, sind alle Menschen voller Angst und Unsicherheit. Jeder lebt nur für sich selbst. So sieht die heutige gesellschaftliche Situation aus, deshalb sagen Sie mir bitte, können Sie – in Anbetracht dieser Gegebenheiten und im Lichte dessen, was ich gerade gesagt habe – immer noch behaupten, die Welt sei einfach?
Philosoph: Es ändert nichts an meiner Meinung: Die Welt ist einfach, und das Leben ist es auch.
Junger Mann: Wie kann das sein? Jeder kann sehen, dass sie eine chaotische Masse von verwirrenden Widersprüchen ist.
Philosoph: Das liegt nicht daran, dass die Welt kompliziert wäre. Es liegt daran, dass Sie die Welt kompliziert machen.
Junger Mann: Tue ich das?
Philosoph: Niemand von uns lebt in einer objektiven Welt, sondern die Welt ist subjektiv, wir haben ihr selbst eine Bedeutung gegeben. Die Welt, die Sie sehen, ist anders als die Welt, die ich sehe, und es ist unmöglich, mit jemand anderem genau die gleiche Welt zu teilen.
Durch Mut zur Klarheit
Frage: Dreht man sich da nicht leicht im Kreis: Behauptung, Gegenbehauptung?
Philosoph: Nein … Das bedeutet es, in seiner eigenen subjektiven Welt zu leben. Es gibt kein Entkommen vor der eigenen Subjektivität. Im Moment sieht die Welt für Sie kompliziert und rätselhaft aus, aber wenn Sie sich verändern, wird sie Ihnen einfacher erscheinen. Es geht nicht darum, wie die Welt ist, sondern darum, wie Sie sind.
Junger Mann: Wie ich bin?
Philosoph: Richtig … Es ist so, als ob Sie die Welt durch eine dunkle Brille sehen würden – dann wirkt alles natürlich dunkel. Aber Sie könnten, anstatt über das Dunkel in der Welt zu lamentieren, auch einfach die Brille abnehmen. Vielleicht erscheint Ihnen die Welt dann furchtbar hell, und Sie schließen unwillkürlich die Augen. Vielleicht wollen Sie die Brille gleich wieder aufsetzen, aber die Frage ist zuerst einmal: Können Sie sie überhaupt abnehmen? Können Sie sich die Welt ganz ungefiltert ansehen? Haben Sie den Mut?
Junger Mann: Mut?
Philosoph: Ja, es ist eine Frage von Mut. (…) Natürlich kann der Mensch sich ändern. Und er kann auch sein Glück finden.
Junger Mann: Jeder, ohne Ausnahme?
Philosoph: Ohne jegliche Ausnahme.
Ein Adler am Horizont
Frage: Vielleicht sollten Sie den jungen Mann endlich mit dem Namen Alfred Adler konfrontieren, damit wir hier weiterkommen. Das stimmt doch, oder?
Philosoph: Ja, Freud und Jung sind beide sehr bekannt. Selbst hier. Adler gehörte zum ursprünglichen Kern der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung, geleitet von Freud. Seine Vorstellungen standen aber im Gegensatz zu Freuds. So trennte er sich von der Gruppe und entwickelte auf der Grundlage seiner ureigenen Theorien eine «Individualpsychologie». Junger Mann: Individualpsychologie? Noch so ein merkwürdiger Ausdruck. Adler war also ein Schüler von Freud? Philosoph: Nein, das war er nicht. Diese falsche Vorstellung ist sehr verbreitet; wir müssen uns von ihr lösen. Zuerst einmal waren Adler und Freud vom Alter her ziemlich nah beieinander, und ihr Verhältnis als Forscher war ein ebenbürtiges. In dieser Hinsicht unterschied sich Adler sehr von Jung, der Freud als eine Vaterfigur verehrte. Wenn auch die Psychologie vor allem mit Freud und Jung in Verbindung gebracht wird, so wird Adler doch neben Freud und Jung als einer der drei Großen auf diesem Gebiet angesehen.
Junger Mann: Verstehe. Ich hätte mich mehr damit befassen sollen.
Philosoph: Ich glaube, es ist ganz natürlich, dass Sie noch nichts von Adler gehört haben. Er selbst sagte: «Es mag eine Zeit kommen, wenn man sich nicht mehr an meinen Namen erinnert; die Leute haben vielleicht sogar vergessen, dass unsere Schule jemals existierte.» Er fuhr fort, dass dies keine Rolle spiele. Damit wollte er sagen, dass seine Schule vergessen werden könnte, weil seine Ideen über die Grenzen einer psychologischen Schule hinausgegangen und zum Allgemeingut geworden sind – etwas, das alle kennen. Und so hat zum Beispiel Dale Carnegie, Autor der internationalen Bestseller «Wie man Freunde gewinnt» und «Sorge dich nicht, lebe!», Adler als «einen großen Psychologen» bezeichnet, «der sein Leben der Erforschung des Menschen und der in ihm schlummernden Fähigkeiten gewidmet hat». Der Einfluss von Adlers Denken ist in seinen Büchern deutlich zu spüren. Und auch in Stephen Coveys «Die 7 Wege zur Effektivität» weist ein Großteil des Inhalts starke Ähnlichkeiten mit den Ideen Adlers auf. Anders gesagt, die Adler’sche Psychologie lässt sich eher als Erkenntnis verstehen als ein begrenztes Gebiet der Lehre; sie ist eine Zusammenführung von Wahrheiten und Einsichten über den Menschen. Doch es heißt, sie seien ihrer Zeit um hundert Jahre voraus gewesen, und selbst heute haben wir sie noch nicht gänzlich verstanden. So wahrhaft bahnbrechend waren sie damals.
Junger Mann: Also sind Ihre Theorien nicht ursprünglich aus der griechischen Philosophie entstanden, sondern aus der Sichtweise der Adler’schen Psychologie?
Philosoph: Ja, das stimmt.
Das eigene Unglück ist selbstgewählt
Frage: Kommen wir jetzt zu einer besonders steilen These, lieber Philosoph: der vom selbstgewählten Unglück …
Philosoph: Um noch einmal Adler zu zitieren: «Entscheidend ist nicht, womit man geboren wird, sondern was man aus seinen Anlagen macht.» Sie wollen Y oder irgendjemand anderes sein, weil Sie so sehr auf das konzentriert sind, wie Sie geboren wurden und was Sie «mitbringen». Stattdessen müssen Sie sich auf das konzentrieren, was Sie aus Ihren Anlagen machen können.
Junger Mann: Auf keinen Fall. Das leuchtet mir nicht ein.
Philosoph: Warum ist es nicht einleuchtend?
Junger Mann: Warum? Manche Menschen werden in ein Leben im Überfluss hineingeboren, mit netten Eltern, und andere werden mit schlechten Eltern geboren. Weil die Welt nun einmal so ist. Und ich möchte wirklich nicht näher darauf eingehen, aber es gibt in der Welt keine Gleichheit; die Unterschiede in Bezug auf Rasse, Nationalität und Ethnizität sind heute noch genauso groß wie seit jeher. Es ist nur natürlich, sich auf das zu konzentrieren, womit man geboren wurde. Ihr ganzes Gerede ist doch nur eine akademische Theorie – Sie ignorieren die reale Welt!
Philosoph: Sie sind es, der die Welt ignoriert. Verändert die Fixierung auf das, womit Sie geboren sind, etwa die Wirklichkeit? Wir sind keine austauschbaren Maschinen. Wir brauchen keinen Ersatz, sondern eine Erneuerung.
Junger Mann: Für mich sind Ersatz und Erneuerung ein und dasselbe. Sie umgehen den wichtigsten Punkt. Sehen Sie, es gibt so etwas wie Unglück durch Geburt. Bitte akzeptieren Sie zuerst einmal das.
Philosoph: Das werde ich nicht akzeptieren.
Junger Mann: Warum nicht?
Philosoph: Zuerst einmal sind Sie gerade im Moment nicht in der Lage, wirkliches Glück zu empfinden. Sie finden das Leben schwierig und wünschen sich sogar, Sie könnten als eine andere Person wiedergeboren werden. Aber Sie sind jetzt unglücklich, weil Sie es selbst gewählt haben, «unglücklich zu sein». Nicht etwa, weil Sie unter einem schlechten Stern geboren sind.
Junger Mann: Ich habe es selbst gewählt, unglücklich zu sein? Wie könnte ich Ihnen da zustimmen?
Philosoph: Daran ist nichts Ungewöhnliches. (…)
Junger Mann: Was hat das mit mir zu tun?
Philosoph: An irgendeinem Punkt in Ihrem Leben haben Sie das «Unglücklichsein» gewählt. Nicht weil Sie in unglückliche Umstände geboren wurden oder in eine unglückliche Situation geraten sind. Sie haben das «Unglücklichsein» als gut für sich befunden.
Junger Mann: Warum? Wozu?
Philosoph: Welche Rechtfertigung haben Sie? Warum haben Sie sich für das Unglücklichsein entschieden? Ich kann die konkrete Antwort für Sie oder die Einzelheiten beim besten Willen nicht kennen. Vielleicht wird es klarer werden, wenn wir weiter darüber diskutieren.
Junger Mann: Sie versuchen wirklich, sich über mich lustig zu machen. Und Sie glauben, das geht noch als Philosophie durch …?