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Es geht so schnell, das Leben

«Carmen Korn schildert das Leben ihrer Figuren mit einer Empathie, als seien sie Teil ihrer eigenen Familie.» (Hamburger Abendblatt)

Über Carmen Korns «Zeiten des Aufbruchs»

Vier Frauen, ein Jahrhundert. Die Freundinnen Henny, Käthe, Ida und Lina teilen Glück und Unglück miteinander; sie gehören zu der Generation, die zwei Weltkriege erleben musste. Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs ist Hamburg zerstört. Doch mit den Fünfzigern beginnt das deutsche Wirtschaftswunder, endlich geht es aufwärts: Hennys Tochter Marike wird Ärztin, Sohn Klaus bekommt eine Stelle beim Rundfunk. Ganz neue Klänge sind es, die da aus den Radios der jungen Republik schallen. Lina gründet eine Buchhandlung, und auch Ida findet endlich ihre Berufung – Aufbruchsgefühle überall. Nur wohin der Krieg Käthe nach ihrer Verhaftung durch die Gestapo im Januar 1945 verschlagen hat, wissen die Freundinnen noch immer nicht …

Vom Ende des Ersten Weltkriegs bis in die frühen Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg spannt sich «Töchter einer neuen Zeit», der erste Teil des Epos um die vier so unterschiedlichen Freundinnen Henny, Käthe, Lina und Ida: eine große Freundschaftsgeschichte, ein mitreißendes Zeitpanorama, mit historischer Genauigkeit und Herzblut erzählt. Wunderbares Kopfkino!

«So lebensnah, dass man ungeduldig auf die Fortsetzung wartet», schrieb BRIGITTE über «Töchter einer neuen Zeit». Hier ist sie endlich, die Fortsetzung: «Zeiten des Aufbruchs» …

Vier Freundinnen im Kurzporträt

HENNY. Nachdem ihr erster Mann Lud 1926 bei einem Verkehrsunfall gestorben war, heiratete Henny Ernst Lühr – vielleicht der Fehler ihres Lebens. Das einzig Gute an der Liaison mit dem immer bitterer und engstirniger werdenden Volksschullehrer ist der gemeinsame Sohn Klaus. Der offenbart an seinem 16. Geburtstag, dass er Jungen liebt, was ihm die niemals endende Verachtung seines homophoben Vaters einbringt. Klaus, der nach dem Abitur seine Traumstelle als Jazzredakteur beim Nordwestdeutschen Rundfunk gefunden hat (und sich dort unsterblich in den Pianisten Alex Kortenbach verliebt), findet Schutz und Geborgenheit im Haus des Arztes Theo Unger in der Körnerstraße – bei dem Mann, der für Henny die Liebe ihres Lebens werden wird. Henny hat ein Talent, im Kreise ihrer wachsenden Familie das Glück anzuziehen und festzuhalten. Mit Tochter Marike, die als junge Frauenärztin ihre Jugendliebe Thies geheiratet hat. Mit Klaus und Alex. Mit ihrer Mutter Else und der guten Seele Guste Kimrath. Die Körnerstraßen-Sippe: ein wunderbares bürgerliches Idyll in diesen Zeiten des Umbruchs.

LINA. Luds Schwester arbeitete als Lehrerin in reformpädagogischen Einrichtungen, ehe sie gemeinsam mit ihrer Lebensgefährtin Louise, einer Dramaturgin am Thalia-Theater, die Buchhandlung Landmann am Rathausmarkt gründet. Mit dem Namen der Buchhandlung wollen sie an den verehrten Arzt in der Geburtsklinik an der Finkenau Kurt Landmann erinnern, der sich nach dem Entzug der Approbation durch die Nazis 1938 das Leben genommen hatte. Louises und Linas Buchhandlung im Herzen Hamburgs entwickelt sich zu einer kleinen, erlesenen Kulturinstitution in der Hansestadt.

IDA. Seit ihrer Scheidung von dem Bankier Friedrich Campmann lebt Ida gemeinsam mit ihrer großen Liebe, dem Chinesen Tian, in Gustes Pension. Tian, der ein Hamburger Kaffekontor leitet, wird zu einem der besten Freunde des sensiblen Alex Kortenbach, der unter der verbotenen Liebe mit Klaus leidet; es sind die Zeiten des elenden Paragraphen 175, der homosexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellt (bis 1969; erst 1994 wurde der § 175 vollständig abgeschafft). Florentine, die exotisch-schöne Tochter von Tian und Ida, schafft den Aufstieg zu einem der bestgebuchten Fotomodelle der sechziger Jahre: die Karriere einer modernen jungen Frau, die auf den Covern von Magazinen wie Constanze, Twen oder Vogue ihre Unabhängigkeit demonstriert.

KÄTHE. Gemeinsam mit ihrer Mutter Anna war die ehemalige Kommunistin Käthe im Winter 1945 spurlos verschwunden. Die beiden waren denunziert worden, weil sie in ihrer Wohnung einen Deserteur versteckt hatten. Nach der schrecklichen Zeit in den Arbeitslagern Fuhlsbüttel und Neuengamme, die ihre Mutter nicht überlebte, hatte Käthe am Stadtrand, in einem maroden Kahn, später in einer ärmlichen Hütte in Moorfleet, gehaust. Erst im Frühjahr 1949 fühlt sie sich gefestigt genug für die Rückkehr in ihr altes Leben; widerstrebend nimmt sie Kontakt zu Henny auf. Ihr Ehemann Rudi wird erst im Frühherbst 1949 aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft entlassen. Auf ihn wartet nicht nur Käthe, sondern auch sein in San Remo lebender Vater Alessandro Garuti, in den zwanziger Jahren Kulturattaché der italienischen Botschaft in Berlin.

Wo kam auf einmal die Hoffnung her?

All die Namen, all die Ereignisse! Parlamentarischer Rat und Grundgesetz, Adenauer und Strauß, Max Brauer und Alfred Lichtwark, Gustav Gründgens und Heinrich Böll, Wiederbewaffnung und Ungarn-Aufstand, Kubakrise, Mauerbau und Hamburger Sturmflut, Mord an den Kennedy-Brüdern und Martin Luther King, Nixon und Watergate, Johnson und Vietnam, Benno Ohnesorg und Rudi Dutschke, Notstandsgesetze und Prager Frühling, Swinging London und Mondlandung, Beate Klarsfeld und Willy Brandt.

Es ist faszinierend, wie hier die Großereignisse aus Politik und Zeitgeschehen in die Handlung einfließen. Mal als Episoden im großen Fluss des Lebens, mal als Einschnitte von enormer Wucht und Dringlichkeit – geeignet, einer Biografie eine andere Richtung zu geben. Wie im Falle von Ruth, der Adoptivtochter von Käthe und Rudi. Ein stilles, ernsthaftes Mädchen, das während des Studiums und danach als Journalistin der linken Zeitschrift Konkret immer mehr in den Sog radikaler Kräfte im SDS gerät.

Kinder werden geboren, Menschen sterben, der ewige Kreislauf des Lebens. Zu den Hunderten Opfern der Hamburger Flutkatastrophe vom Februar 1962 gehören auch Willi und Minchen, denen Käthe und Rudi so viel zu verdanken haben. «An mehr als sechzig Stellen waren die Deiche gebrochen. Ein Fünftel der Fläche Hamburgs stand unter Wasser, der Hafen und Teile der Innenstadt. Hunderte Menschen waren ertrunken. In Wilhelmsburg. Neuenfelde. Moorburg. Billbrook. Moorfleet. Keiner war auf diese Katastrophe vorbereitet gewesen.» Unter den Trümmern ihres Holzhauses wurden Minchen und Willi gefunden, Hand in Hand. Vereint im Leben, vereint im Tod.

«Dass sich das Schöne und Glatte über die Erinnerung legt und all die Toten zudeckt …»

Am Beispiel von Klaus und Alex werden in dem Roman eindringlich die demoralisierenden Folgen des sog. «Schwulenparagrafen» thematisiert. Niemals in der Öffentlichkeit Hand in Hand gehen oder sich küssen. Immer auf der Hut sein, kein falsches Wort, kein verräterischer Blick. Für beide, wie für unzählige andere homosexuelle Männer, bedeutet der § 175 ein Versteckspiel, eine Tortur, eine Demütigung. Alex kommt viel weniger als Hennys Sohn mit der Situation zurecht – auch weil er mit einer rätselhaften Erkrankung aus Argentinien in seine Heimatstadt zurückgekommen ist, die ihn sein Leben lang von Tabletten abhängig machen wird.

In Carmen Korns Jahrhundert-Trilogie bricht aber nicht nur immer wieder die große Politik in das Leben der Freundinnen und ihrer Familien ein. Hier spielt auch die Musik – und wie! Kein Wunder, wenn gleich drei Protagonisten professionell mit Musik zu tun haben, Alex, Thies und Klaus: Ella Fitzgerald und Duke Ellington, Frank «Old Blue Eyes» Sinatra und Glenn Miller, die Beatles im Star-Club, Hilde Knef, Sacha Distel und Freddy Quinn, «Je t'aime» und Jacques Dutronc – was für ein spannungsreicher, bunter Soundtrack jener «Zeit des Umbruchs»!

Die Jahrhundert-Trilogie

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Carmen Korn wurde 1952 in Düsseldorf als Tochter des Komponisten Heinz Korn geboren. Nach ihrer Ausbildung an der Henri-Nannen-Schule arbeitete sie als Redakteurin u.a. für den «Stern». Sie ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.

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