In Zeiten der Verunsicherung verschiebt sich mitunter der Blickwinkel auf unsere Welt – und bei einigen von uns auch wortwörtlich. Viele arbeiten in diesen Tagen mobil, in ihren eigenen vier Wänden und mit neuer Aussicht. Und vielen fällt es schwer, mit dieser Situation umzugehen. Drinnen zu bleiben und nicht zu wissen, was noch auf uns zukommt.
Wie viele andere machen wir Rowohltianer uns Sorgen - um unsere Familien, Freunde und Bekannte und um unsere Autor*innen. Einige unserer Autor*innen haben wir gefragt, wie sie mit der Pandemie leben. Was sie gerade beschäftigt. Einige der Texte, die uns erreicht haben, sind humorvoll, viele machen nachdenklich und ein paar auch traurig, die meisten geben uns aber Hoffnung. Hoffnung, dass wir diese Krise gemeinsam irgendwie überstehen werden.
«Nun merkt man, wem man wirklich dankbar sein muss. Zum Beispiel den Kassiererinnen im Supermarkt. Man stelle sich nur vor, sie würden bald alle krank. Oder sie hätten schlicht keine Lust mehr, Tag für Tag unter dem Virenschauer ihrer Kundschaft Unmengen von Waren über den Scanner zu ziehen, während im Radio stündlich die Behauptung zu hören ist, Deutschland stehe still.
Die ohnehin große Zuneigung, die den Supermarktangestellten derzeit entgegenschlägt, wurde noch einmal gewaltig gesteigert, als sie verkündeten, es gebe nur noch ein Paket Klopapier pro Kunde. Durch dieses beherzte Vernunftregiment lösten sich mit einem Schlag meine Sorgen auf, dass die Paniker unter uns den Gelasseneren alles wegkaufen könnten, was man für einen ordentlichen Toilettenbesuch so braucht. Nicht dass wir uns eines Tages mit Grasbüscheln oder Buchseiten behelfen müssen. In diesem winzigen Segment, der Rationierung des Klopapiers, war sie plötzlich wieder da: die Zuteilungswirtschaft der Nachkriegszeit.
Meine Lieblingskassiererin sitzt bei Netto an der Kasse, ein wahrer Haudegen, meistens ein ziemlich mürrischer Schrubber, aber mit einem abgeklärten Blick auf die Welt gesegnet, der sie immer wieder veranlasst, abgekämpfte Arbeiter, die nach Feierabend mit ihrem Sixpack anstehen, energisch nach vorne durchzuwinken. Mit ihr habe ich mich über das unvermeidliche Klopapierthema unterhalten. ‹Ach, ich verstehe die Leute›, sagte sie, ‹die wollen alle mit sauberem Arsch in den Sarg.› Das hätte Alfred Döblin nicht besser hingekriegt.»