Das wird man ja wohl noch schreiben dürfen!
Wie ich der deutscheste Jude der Welt wurde
Respektlos, witzig, klug: ein Buch über Deutsche, Juden, Muslime – und einen Nazi mit Wolfgang-Petry-Frisur.
Silvester 2015 wurde ein junger Israeli in der Berliner U-Bahn von antisemitische Parolen grölenden Kerlen zusammengeschlagen. Ein Mediengewitter war die Folge, PEGIDA solidarisierte sich, aus Israel kam die Empfehlung heimzukehren. Aber Shahak Shapira wehrte sich weiter: Rassismus sei immer schlimm, egal gegen wen, im Übrigen fühle er sich in Berlin sauwohl. Danach war die Hölle los, Zeitungen weltweit berichteten. Nun schreibt er über sein Leben: lustig über seine Jugend als einziger Jude im tiefsten Sachsen-Anhalt, sehr ergreifend über seine Familie und nachdrücklich in seiner Botschaft: dass jeder selbst entscheidet, ob er ein rassistisches Arschloch ist oder nicht.
- Verlag: Rowohlt E-Book
- Erscheinungstermin: 21.05.2016
- Lieferstatus: Verfügbar
- 240 Seiten
- ISBN: 978-3-644-56301-8
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Der 28-jährige Kreativdirektor aus Berlin zieht auf 240 Seiten alle Gutmenschen- und Wutbürger-Zähne, geht direkt auf Los und sammelt gefühlte 10.000 Wahrheitspunkte. Das ist schreiend komisch, in-die-Fresse-tragisch und bis zur letzten Seite ein Page-Turner.
Wenn nun ausgerechnet dieser scheinbar ganz normale junge Berliner mit seinen Witzen auf Diskriminierungen aller Art aufmerksam macht, wenn er tabulos über kulturelle Unterschiede herzieht, aber ernsthaft böse wird, sobald in simplem Schwarzweiß gedacht wird, folgt das einer biographischen Logik.
Warum wird so jemand, der Leid und Ausgrenzung erlebt hat, nicht auch zum Radikalen, zum verblendeten, bewaffneten Irgendwas-Hasser – warum steht dieser junge Jude auf und brüllt wie ein Löwe und besteht darauf, dass man seinen Fall nicht für antimuslimische Propaganda missbraucht? Weil ich Rassismus sehr früh erlebt habe, sagt Shapira. Ich habe ihn immer als Dummheit empfunden.
Shahak Shapira arbeitet zwischen Satire und Ernsthaftigkeit viel mit Vorurteilen, um gerade diese nicht zu bestätigen. In Zeiten neuer Diskussionen über das Zusammenleben von Christen, Juden und Muslimen ein interessantes Projekt, das hilft, Klischees zu entlarven.
Shapiras Witz ist oft frech und stets unterhaltsam. Wer sein Buch jedoch durch eine israelische Brille liest, weiß früh, was hier alles nicht gesagt wird.
Kein Betroffenheitsbuch, keine Anklage oder gar Abrechnung. Mit bewundernswerter Leichtigkeit und schwarzem Humor schreibt der, der durchaus Grund gehabt hätte, selbst radikal zu werden. Der Leser verschluckt sich an seinem eigenen Lachen, weil der Hintergrund so bitterernst ist.
Warum schreibt ein 26jähriger seine Autobiografie? Weil sie saukomisch ist. Und weil die Geschichte seiner Familie alles andere als lustig ist. So kommt eine Mischung zustande, bei der man mal laut loslacht und dann wieder kaum fassen kann, was Menschen anderen Menschen antun können.
Für den jugendlichen Einwanderer des Jahres 2002 wurden die Umlaute der deutschen Sprache das Vermächtnis des Bösen, eine letzte Bastion gegen integrationswillige Fremdvölkische. Und Shahak Shapira hat sie genommen, sonst hätte er nicht derart gekonnt all die Phrasen der Alltagssprache verwenden können, um mit viel Spott einen ersten Wurf seiner Lebenserinnerungen aufzuschreiben.
Shahak Shapira hat ein brilliantes Buch geschrieben, witzig und persönlich und doch komplex. Ein Buch, das man zur Pflichtlektüre in der Oberstufe machen sollte, um das schwierige Verhältnis zwischen Deutschland und den Juden zu erklären.
Ziemlich bitter, aber auch wahnsinnig komisch. Wer über krampfhafte Political Correctness lachen muss, das Wort 'Gutmensch' aber trotzdem nicht als Schimpfwort benutzen würde, ist hier goldrichtig.
Ein sehr interessantes Buch, das den Spagat zwischen Ernst und Spaß, zwischen Rassismus und Tinder-Episoden gut hinbekommt. Willkommen in Deutschland, willkommen 2016.
Pointiert und unterhaltsam.
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