Gar alles oder Briefe an eine unbekannte Geliebte
"Was, bitte, wäre ich lieber als ich? Alles andere als ich."
Das sagt Justus Mall, der früher einmal anders hieß. Oberregierungsrat war er, zuständig für Migration, aber dann kam der Tag, an dem er etwas Unbedachtes machte, und seitdem ist er Philosoph, zuständig für alles und nichts. Doch das ist nicht das einzige Dilemma seines Lebens. Tag und Nacht liegt er im Streit mit den Umständen, zu denen er es als Liebender hat kommen lassen. Ist es vielleicht leichter, keine Frau zu haben als nur eine? Er jedenfalls liebt zwei, und weil das nicht gehen kann, beginnt er, einen Blog zu schreiben – auf der Suche nach einem Menschen, der genau das ist, was ihm fehlt.
Was für ein sagenhaftes Paradox: Ein Mann, für den Wirklichkeit ein Gespinst aus erfundenen Fäden ist, hofft ausgerechnet in einem Weblog, so etwas wie Nähe zu finden. Er richtet seine Selbstgespräche an eine unbekannte Geliebte und weiß doch, sie ist nicht mehr als eine Illusion. In früheren Romanen ließ Martin Walser noch Briefe und E-Mails hin und her gehen, in "Gar alles" gibt es das nicht mehr. Hier ruft einer ins Irgendwo, ist zurückgeworfen auf sich selbst, hat für das, was er empfindet, keinen Adressaten mehr. Ein völlig geklärt geschriebener Roman über lauter Ungeklärtes, ein in seiner existentiellen Dringlichkeit ungeheuerliches, überwältigendes Buch.
- Verlag: Rowohlt Buchverlag
- Erscheinungstermin: 27.03.2018
- Lieferstatus: Verfügbar
- 112 Seiten
- ISBN: 978-3-498-07400-5
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Klug und raffiniert. Weil das Buch mit mehrfachen Spiegelungen operiert und bis zur Unkenntlichkeit verwischt, wer was sagt oder denkt.
Martin Walsers Eigenart nimmt hier eine leichtere und schlankere Gestalt an, als man sie früher von ihm kannte.
Sein neuer Briefroman (…) bietet in konzentrierter Form noch immer das, was große Literatur leisten soll: die stillschweigende Aufdeckung des Fehlers im System, den romanhaft camouflierten Hinweis auf den Makel und das Ungereimte.
Wie leicht und selbstironisch der 91-Jährige sich hier selbst zitiert und sein eigenes Werk umspielt, das ist schon beeindruckend.
Schriftstellerische Selbstgespräche münden in bereichernde Lektüren, immer wieder – und immer wieder auch im Fall dieses außerordentlichen Schriftstellers.
Die große Erschütterung dieses kleinen Büchleins liegt ja im Bruch mit gefestigten Annahmen: Den zu kennen, der dort schreibt.
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