Späte Kinder
Ein kluger, trauriger und Trost spendender Roman über den Schmerz, der Familie heißt.
Die Zwillinge Sophia und Thomas waren sich immer nah, so unterschiedlich sie auch sind. Die treusorgende Mutter und Gattin eines Kunsthändlers Sophia erfüllt das bürgerliche Ideal der Eltern. Thomas, der Unangepasste, schlägt sich als freier Journalist durch. Der cholerische Vater ist seit Jahren tot. Als auch die Mutter stirbt, treffen sich die Zwillinge im Elternhaus, und beide haben Neuigkeiten: Thomas hat sich von seiner Freundin getrennt, die neue ist viel jünger als er. Und Sophia ist unheilbar an Krebs erkrankt; ihr bleiben nur Monate. Mehr als der nahende Tod quält sie die Frage: Habe ich überhaupt gelebt?
Beim Sichten des Nachlasses werden die Zwillinge von Erinnerungen heimgesucht. Sie streiten, verletzen einander und steigen tief ein in die Geschichte ihrer Familie. Sophia beschließt, ihr Leben zu regeln. Dazu gehört eine letzte Reise mit Tochter und Bruder. Doch unterwegs eskaliert die Stimmung. Und wieder müssen die Geschwister den Blick ganz weit zurück wagen, um nach vorne schauen und das letzte Stück des Weges gemeinsam gehen zu können.
- Verlag: Rowohlt Buchverlag
- Erscheinungstermin: 25.01.2022
- Lieferstatus: Verfügbar
- 288 Seiten
- ISBN: 978-3-498-00237-4
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Anselm Nefts nicht kleine Kunst ist es, das klassische Sujet der Familie und der in ihr waltenden Kräfte Liebe, Hass, Missgunst, Verblendung, Fürsorge, Nähe und Distanz noch einmal kompromisslos neu zu erzählen. Ein gelungenes Erzählwerk... Anselm Neft ist ein Autor, den man mehr denn je auf der Rechnung haben muss.
Ans Herz gelegt all jenen, die auf poetische Weise nicht nur wissen, sondern wirklich erfahren wollen, wie ihr inneres Kind aus der bedrohlichen Fremde in eine schützende Heimat geführt werden kann.
"Der streckenweise zwiespältige Eindruck, den "Späte Kinder" vielleicht bewusst erzeugen will, wird aber durch einen souveränen Schluss kompensiert, der die Überlebenden an ihre Verantwortung für die Leidenden erinnert.
Als Leserin und Leser fühlt man so oder so mit den Figuren; auch das spricht für diesen Roman. Vor allem jedoch ist „Späte Kinder“ eine späte Erzählung des deutschen Verhängnisses und ein Zeugnis der transgenerationellen Weitergabe problematischer Erfahrungen.
Man lacht. Man heult. Man muss das lesen.
Anselm Neft beschreibt, wie zwei Menschen versuchen, obwohl die Eltern nicht mehr da sind, die Probleme, die aber immer noch mit diesen Eltern vorhanden sind, zu lösen zu. Und das, finde ich, ist neu.
Anselm Neft ist mit „Späte Kinder“ ein bewegender Roman geglückt, der vorsichtig nach dem Wichtigen im Leben fragt und zeigt, dass dauerhafte Sicherheit nicht zu haben ist.
Neft erzählt, wie die Vergangenheit unausweichlich in uns nachwirkt. Fesselnd, berührend, mit der Hoffnung: Versöhnung ist möglich.
Anselm Nefts fünfter Roman wirkt wie ein Neuaufguss von ihm bereits verwerteter Kunstgriffe: Wieder spielt ein großer Teil in seiner Heimatstadt Bonn, wieder ist ein Thomas eine Hauptfigur, wieder ist eine schwere Krankheit das erregende Moment der Erzählung. Wieder hat Edgar Allan Poes Prosa eine Kindheitsspur geprägt, wieder gibt es Philosophieexkurse und wieder ist es auf der paternalen Figurenebene besonders kalt. Dennoch weiß der Satiriker und Publizist erneut mit dem Austarieren moralischer Grenzen zu fesseln, ohne dabei den Zeigefinger zu erheben.
Sophia und Thomas lernen zaghaft, ihr Aufgewühlstsein zuzulassen, und auch die Leser müssen sich nicht schämen, dass sie beim Zuklappen des Buches aufgewühlt sind. Neft gelingt es, den beengten Alltagsblick aufzubrechen und für eine Gefühlsgemengelage empfänglich zu machen. Am Ende gibt es sogar so etwas wie einen punktuellen Frieden, einen Frieden, der Widersprüche und Grausamkeiten nicht beschönigt
Geerbte Traumata reichen sich also immer weiter, wenn sie nicht bewusst gemacht und aufgearbeitet werden. Das setzt Neft in klarer Sprache in Szene. Und so wirken die Passagen über die von der Eltern- und Großelterngeneration erfahrenen Gräuel in der Nazi-Diktatur und im Zweiten Weltkrieg geradevor dem Hintergrund des heutigen russischen Angriffskriegs auf die Ukraine mit noch einmal ganz neuer Vehemenz nach.
Späte Kinder ist ein packender Roman über familiäre Abgründe und das eigene Ankommen.
Anselm Neft zeichnet das detaillierte Porträt einer Familie der alten Bundesrepublik.
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