In Zeiten der Verunsicherung verschiebt sich mitunter der Blickwinkel auf unsere Welt – und bei einigen von uns auch wortwörtlich. Viele arbeiten in diesen Tagen mobil, in ihren eigenen vier Wänden und mit neuer Aussicht. Und vielen fällt es schwer, mit dieser Situation umzugehen. Drinnen zu bleiben und nicht zu wissen, was noch auf uns zukommt.
Wie viele andere machen wir Rowohltianer uns Sorgen - um unsere Familien, Freunde und Bekannte und um unsere Autor*innen. Einige unserer Autor*innen haben wir gefragt, wie sie mit der Pandemie leben. Was sie gerade beschäftigt. Einige der Texte, die uns erreicht haben, sind humorvoll, viele machen nachdenklich und ein paar auch traurig, die meisten geben uns aber Hoffnung. Hoffnung, dass wir diese Krise gemeinsam irgendwie überstehen werden.
«Mir geht es wie vielen, glaube ich. Mal so, mal so. Ich freue mich über den Lärm, den die Vögel vor meinem Fenster machen und der mich vor einer Woche noch genervt hat, über die Sonne, die unbeeindruckt weiterscheint. Und manchmal muss ich tief einatmen, durch eine Welle der Angst hindurch. Ich weiß, sie wird brechen, weil jede Welle bricht, und trotzdem habe ich Angst vor der Angst, vor Angst vor der Angst an meiner Angst zu ersticken. Und ganz kurz bevor ich keine Luft mehr habe, bricht sie, wie immer, und ich höre die Vögel vor meinem Fenster.
Als das Zuhausebleiben losging, habe ich von vielen gehört, wie hart es jetzt gerade doch Singles hätten. So ganz allein zu Hause. Aber ich glaube, Singlesein hat (auch jetzt) Vor- und Nachteile. Ich höre Geschichten von WGs, die sich verkrachen. Von Paaren, die nicht wissen, ob sie die Krise gemeinsam meistern werden. Von Singles, die gar nicht so traurig sind, dass niemand Vielleicht-ja-doch-am-Turnschuh-klebende-Viren in die Bude trägt, weil er oder sie die Joggingschuhe schon wieder nicht an der Haustür, sondern erst am Küchentisch ausgezogen hat.
Ich glaube daher nicht, dass Singles gerade notwendigerweise schlechter dran sind. Diese nie da gewesene Situation ist vielleicht ein minibisschen vergleichbar mit einer Notlandung im Flugzeug: erst sich selber die Atemmaske aufsetzen, dann anderen helfen. Wir müssen uns als Erstes um uns selbst kümmern, weiteratmen, weiterleben. Erst wenn wir in Sicherheit in uns selbst sind, können wir auch für andere da sein. Dann können wir in den Kontakt gehen, Trost und Nähe und Hoffnung geben. Und über den Skypebildschirm in den Arm genommen werden, wenn wir uns einsam fühlen. Ich telefoniere gerade jeden Tag mit meinen Liebsten. Wir trinken zusammen Wein, wir erzählen uns, was wir vom Fenster aus sehen können, heute Morgen habe ich mit einer Studienfreundin aus London Aufbackcroissants und Tee gefrühstückt, wir weinen zusammen, wir haben zusammen Angst, wir erinnern uns gegenseitig, dass wir uns wieder treffen werden, wir schmieden Pläne.
Ob Single oder nicht, wir alle müssen jetzt lernen, mit uns selbst klarzukommen und eine verdammt gute Zeit mit uns zu haben. Und das birgt in dieser furchtbaren Situation auch irgendwie ein silver lining: Die Beziehungen zu uns selbst werden enger und besser sein als je zuvor, wenn wir die Krise überstanden haben.»